Ehemalige Förderschüler gelangen kaum in den regulären Arbeitsmarkt

Nachschulische Sackgasse

Einem neuen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge gelingt Förderschülern deutlich seltener als Regelschülern der Einstieg in einen Ausbildungsberuf.

Majid H., 23 Jahre alt, ist vor über zehn Jahren mit seiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Damals besuchte er in Hamburg zunächst eine Vorbereitungsklasse für junge Flüchtlinge. Das Lernen fiel ihm dort so schwer, dass bei ihm ein »Förderbedarf Lernen« festgestellt wurde – eine sogenannte Lernbehinderung. Deshalb wechselte er auf eine Förderschule, die er nach der zehnten Klasse ohne Abschluss verließ. Damit war er keine Ausnahme – rund 70 Prozent der Förderschülerinnen und -schüler machen keinen Abschluss.

Wer eine Förderschule ohne Abschluss verlässt, durchläuft anschließend in der Regel eine Ausbildungsvorbereitungsmaßnahme. Je nach Bundesland variieren Inhalte und Zielsetzungen solcher Angebote, aber nur geringfügig. Das Ziel der Maßnahmen ist, Jugendliche ohne Schulabschluss bei der »Erlangung der Ausbildungsreife« zu unterstützen. Oft wird das durch Betriebspraktika versucht. Der positive Nebeneffekt für die Politik: Die jungen Erwachsenen tauchen (noch) nicht in den Arbeitslosenstatistiken auf. Majid H. absolvierte eine solche Maßnahme, doch als sie vorbei war, wusste er immer noch nicht, wie und wo er Arbeit finden sollte. Ein Ausbildungsvertrag war während der Maßnahme nicht zustande gekommen.

In Förderschulen sind Kinder aus sozial benachteiligten Familien und solche mit Migrationshintergrund stark überrepräsentiert.

Auch damit steht er bei weitem nicht allein – dennoch wurde dieses Problem in den angestrengt geführten Inklu­sionsdebatten der vergangenen Jahre größtenteils ausgeklammert. Nach zehn Schuljahren folgt für Jugendliche mit »Förderbedarf Lernen« oft ein harter Aufprall. Es gibt zwar Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, wo auch einige Menschen mit einer sogenannten Lernbehinderung arbeiten; dort verdient man einen Hungerlohn deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn (Jungle World 42/2020). Doch der sogenannte erste Arbeitsmarkt bietet kaum auskömmliche Arbeit für junge Absolventen und Absolventinnen von Förderschulen.

Diese immer mal wieder von Fachleuten geäußerte Einschätzung be­stätigt nun ein Kurzbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs­forschung (IAB). Dieser kommt zu recht ernüchternden Ergebnissen. Zunächst verwundert, dass auch rund 13 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention noch über 57 Prozent der Schüler und Schülerinnen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf an Sonderschulen beschult werden. Eigentlich sieht die UN-Konvention nämlich vor, dass auch Menschen mit Behinderung ein Recht darauf haben, im Zuge von Inklusionsprogrammen eine Regelschule zu besuchen, und das gilt auch für Kinder mit dem »Förderbedarf Lernen«. Zwar ist die Zahl der an Förderschulen Unterrichteten rückläufig. Aber die Schulform spielt im deutschen Schulsystem immer noch eine große Rolle. In ihnen sind Kinder aus sozial benachteiligten Familien und solche mit Migrationshintergrund stark überrepräsentiert.

Wer wegen des Förderbedarfs im Bereich »Lernen« eine Förderschule besucht, hat es später äußerst schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. Fast ein Drittel aus dieser Gruppe ist im Alter von 20 Jahren weder erwerbstätig noch in einer Ausbildung. Bei den Absolventen einer Regelschule, die höchstens einen Hauptschulabschluss haben, ist dieser Anteil nur halb so groß. Selbst wenn Förderschülerinnen und -schüler einen Hauptschulabschluss erlangt haben, verbringen sie längere Zeit in berufsvorbereitenden Maßnahmen als Regelschüler mit Hauptschulabschluss.

Bislang gab es über diese Belange nur lückenhafte Daten. Die Forscher und Forscherinnen des IAB konnten für ihre Untersuchung erstmals Daten des Nationalen Bildungspanels (National Edu­cational Panel Study, NEPS) nutzen, einschließlich einer von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Ergänzungsstichprobe von Förderschülerinnen und -schülern. Aufgrund der Zahlen plädieren die Autorinnen und Autoren der Studie für umfangreiche Anstrengungen seitens der Bundesanstalt für Arbeit, um den Übergang von der Förderschule in ein Arbeitsverhältnis zu erleichtern. Wo es aufgrund von Einschränkungen nicht möglich ist, eine reguläre Berufsausbildung zu absolvieren, schlägt der Bericht vor, »Fachpraktikerberufe« anzustreben. Dabei handelt es sich, so der Bericht, um »eine speziell für Menschen mit Behinderung konzipierte, theoriereduzierte Ausbildung« – was für das Arbeitsleben eher eine Zukunft im Niedriglohnsegment verspricht.

Majid H. hat zwar keinen Ausbildungsplatz gefunden. Nach einer berufsvorbereitenden Maßnahme kam er aber bei einer privaten Security-Firma unter. Ein Abschluss wurde hierfür nicht verlangt; der Verdienst fällt entsprechend gering aus. Trotzdem war H. froh, dass ihm der Übergang in die Berufswelt ­gelungen ist.