In Science-Fiction und Ufologie geht es um irdische Befindlichkeiten

Die Aliens sind wir

Science-Fiction und Ufologie geben Auskunft über irdische Befindlichkeiten – und die Dinge stehen nicht gut.
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Immerhin nicht Hitler. Die jahrzehntelang gehegte Vermutung, dessen Rede zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin 1936 sei das erste Signal von der Erde gewesen, das Außerirdische hätten empfangen können, gilt mittlerweile als widerlegt. Das Abstands­gesetz sorgt wohl glücklicherweise dafür, dass die NS-Propaganda im kosmischen Hintergrundrauschen untergeht, bevor sie andere Welten erreicht. Dennoch müssen wir wohl davon ausgehen, dass unser Ruf in der Galaxis nicht der beste ist, falls Außerirdische die Erde inspiziert haben.

Bedenkt man, dass mit zeitgenössischer irdischer Technologie aus dem Orbit fast alles Wissenswerte erkundet werden kann, ist allerdings nicht ersichtlich, warum eine viel weiter entwickelte Spezies für eine solche Inspektion Ufos benötigen sollte. Ohnehin ist die Ansicht, die Kommunikation mit der Menschheit wäre für Aliens von Interesse, womöglich eine eitle Wunschvorstellung. Eher dürfte die Erdbevölkerung ein skurriles Forschungsobjekt sein, dem man nicht nur wegen drohender Gewalttätigkeit besser nicht zu nahe kommt. Es ist wahrscheinlich, dass bei einer Kontaktaufnahme das Bestreben dominieren würde, einen Vorteil aus dem Besuch der Aliens zu ziehen und sie in irdische Stammesfehden zu verwickeln.

Wer auf der kosmischen Bühne auftreten will, sollte etwas zu bieten haben. Derzeit würden wir uns in der Galaxis nur blamieren. Möchten Sie vor einem interstellaren Gremium erläutern, warum auf Ihrem Planeten Seenotrettung von Privatleuten organisiert werden muss, die dafür auch noch strafrechtlich verfolgt werden? Der Mars wurde bereits durch natürliche Vorgänge ruiniert, dort kann auch Elon Musk nicht mehr viel kaputtmachen. Doch so schön es wäre, eines Tages Einstein überlisten und schneller als das Licht reisen zu können – vorläufig ist es wohl besser, wenn wir in unserem Sonnensystem bleiben.

Das hat auch den Vorteil, dass die Aliens noch eine Weile ein großes Geheimnis bleiben – und damit ein Quell der Hoffnung. So ein Geheimnis ist schließlich meist viel interessanter als die Enthüllung der Wahrheit. Es ist tröstlich, wenn man glauben darf, dass ­irgendwo da draußen bessere Welten existieren. Mit der Spekulation über Aliens entfiele zudem ein wichtiges Element der zwischenmenschlichen Kommunikation. Denn alles, was vorgeblich über Aliens gesagt wird, ist eine Projektion menschlicher Bedürfnisse und Befindlichkeiten. Die Menschheit ist eigentlich exotisch genug, aber Aliens – in Science-Fiction wie Ufologie in der Regel die konzentrierte Verkörperung menschlicher Eigenschaften – sind ein geeignetes Sujet, um Möglichkeiten gesellschaftlicher Entwicklung zu erkunden.

Die reine Utopie ist dramaturgisch unergiebig, doch war von der dissidenten sowjetischen Literatur Arkadij und Boris Strugatzkijs bis zum Replikator-Kommunismus von Star Trek die von einer klassenlosen Gesellschaft für problembeladene Zivilisationen mehr oder weniger direkt geleistete Entwicklungshilfe ein zentrales Thema der Science-Fiction. In der Ufologie, deren Weltbild die Gläubigen als Realität betrachten, offenbart die Hoffnung, von Aliens erlöst zu werden, Unreife und Autoritätshörigkeit – oder doch zumindest, wie im Fall des Posadismus, einen eigenwilligen Umgang mit der Erkenntnis, die Weltrevolution allein nicht hinzukriegen.

Die Gründe für das Ende der Utopie sind leicht erkennbar. Aber verschwindet nun sogar die Dystopie, die ja auch ein Moment der Veränderung beinhaltet? Dafür könnte die Neuverfilmung von »Dune« sprechen – trotz der Raumschiffe ein Fantasy-Epos mit Adligen im All, die Wiederkehr des ewig Gleichen. In der Ufologie scheint nun vor allem wichtig zu sein, dass »die da oben« mal wieder was vor uns geheim halten. Was das ist, ob die Aliens uns helfen oder versklaven wollen, ist kaum noch von Bedeutung, vielleicht weil immer schwerer vorstellbar wird, warum sie überhaupt Interesse an diesem Planeten haben sollten.