Viele Kleinparteien treten zur Bundestagswahl an

Nazis, Obskurantisten und Bürgerliche

Bei der Bundestagswahl im September treten diverse Klein- und Kleinstparteien an. Neben Profilierungssucht motiviert sie die Hoffnung, von der staatlichen Parteienfinanzierung zu profitieren.
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Alberne Plagiatsunterstellungen, rheinische Inkompetenz, Finanzskandale und die Unfähigkeit der sogenannten Linkspartei, regressive Positionen aus­zuschließen: Wer den intellektuell zermürbenden Sound des Wahlkampfs satt hat, kann sich in der nicht minder gruseligen, jedoch abwechslungsreicheren Welt der Klein- und Kleinstparteien verlieren. Insgesamt bewarben sich 88 Parteien um eine Teilnahme an der Bundestagswahl im September, von diesen ließ der Bundeswahlausschuss 53 zu.

Unter den 35 ausgeschiedenen ehrenvoll erwähnt sei die Anarchistische ­Pogo-Partei Deutschlands (APPD), deren Vorsitzender, Andreas Reiter, die Ablehnung aufgrund angeblicher Formfehler mit »Für den Scheiß habe ich jetzt nüchtern bleiben müssen?« kommentierte. Weniger würdevoll reagierte die paläokommunistische DKP, die Fristen verpeilte und ihren resultierenden Ausschluss von der Wahl mit dem Verbot kommunistischer Parteien 1933 verglich. Woran man wohl erkennen kann, dass die Konkurrenz von der MLPD nicht wirklich kommunistisch ist, schließlich darf diese teilnehmen und kann ihr beträchtliches Parteivermögen aufwenden, die Innenstädte vollzukleistern.

Unter den Parteien, die zur Bundestagswahl zugelassen wurden, sind wie immer einige Vertreter von Partikularinteressen, die sich lediglich auf einzelne oder wenige Themen konzentrieren. Zum Beispiel die Gartenpartei, deren hauptsächliches Ziel der Erhalt von Grünflächen und Gartenanlagen ist, oder das Team Todenhöfer, dessen hauptsächliches Ziel der Erhalt des Publizisten und ehemaligen CDU-Politikers Jürgen Todenhöfer ist. Dieser ­erfüllt sich wahrscheinlich gerade seinen Jugendtraum vom Rockstarleben und fährt in Tourbus und Lederjacke durchs Land, um Menschen auf öffentlichen Plätzen mit populistischer Elitenkritik und seinen gewohnt kruden Thesen über Israel und die USA aus dem antiimperialistischen Baukasten zu belästigen oder einzunehmen.

Auch die Belange älterer Menschen sind im Apparat der Kleinstparteien vertreten: Das politische Erdbeben von 2017, als sich »Die Grauen – Für alle Generationen« von den »Grauen Panthern« abspalteten, verspricht dieses Jahr einen Showdown an der Wahlurne, wenn die unversöhnlichen Kontrahenten abermals aufeinandertreffen.

Nicht mit den kleinlichen Sorgen einzelner Bevölkerungsgruppen befasst, versprechen politische Esoteriker einen holistischen Ansatz. Beispielsweise gibt die Partei Liebe auf ihrer Website bekannt, Liebe müsse die Welt regieren, auch wenn man offenbar erst einmal mit Deutschland anfangen will.

Weniger kreativ als überdrehte Yogalehrer, die Parteien mit Namen wie »Menschliche Welt für das Wohl und Glücklichsein aller« gründen, sind die bürgerlich-liberalen Kleinstparteien, bei denen nicht klar ist, was sie eigentlich von den Etablierten unterscheidet. Die Liberalen Demokraten möchten wohl noch mehr wie die FDP sein als die FDP selbst, und das Wahlprogramm der Partei Volt ähnelt stark dem der Grünen.

Außer politischen Exzentrikern, Irrlichtern und Konventionellen treten aber auch wieder wirklich gruselige Parteien an. Der Wahlausschuss entscheidet nach formalen, nicht inhaltlichen Kriterien, weshalb Neonazigruppen wie »Der III. Weg« hier kaum auf Hindernisse stoßen. Neben der paramilitärisch organisierten Schlägertruppe stehen auch andere völkisch rechte bis offen neonazistische Parteien zur Wahl. Zum Beispiel die rechtsautoritäre Partei Deutsche Konservative, die sich zur »Autofahrerpartei« erklärt hat und deren Vorsitzender der ehemalige NPD-Kreistagsabgeordnete Dieter Jochim ist. Die NPD ist selbstverständlich auch dabei, ebenso wie die rechtsesoterische Deutsche Mitte, BüSo, die völkisch-rassistische Thüringer Heimatpartei und das christlich-fundamentalistische Bündnis C, die Nachfolgeorganisation der Partei Bibeltreuer Christen, die gegen Abtreibung und »Gender-Mainstreaming« wettert.

Neu hinzugekommen sind die beiden Parteien der Coronaleugner: Die Partei WiR2020 wird vom Qanon-Verschwörungsideologen Bodo Schiffmann geleitet und die Basisdemokratische Partei Deutschlands (Die Basis) stellt unter anderen mit Sucharit Bhakdi und Reiner Fuellmich Kandidaten auf, die mit antisemitischen und die Shoah verharmlosenden Äußerungen aufgefallen sind.

Was erhoffen sich diese Parteien von ihrer Teilnahme an der Bundestagswahl? Kurz gesagt: Plattformen für ihre Propaganda und im für sie günstigsten Fall mindestens 0,5 Prozent der gültigen Stimmen. Dann greift nämlich die staatliche Parteienfinanzierung und sie erhalten 86 Cent pro erhaltener Zweitstimme sowie jährlich 45 Cent für jeden durch Spenden und Mitgliedsbeiträge eingenommenen Euro. Bei der Bundestagswahl 2017 konnten lediglich die Freien Wähler (»Anstand & Ordnung«), Die Partei (Satirepartei mit ­Sexismusproblem) und die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierrechtspartei mit Esoterikproblem) davon profitieren. Notwendig waren dafür rund 235 000 Stimmen.

Die NPD verfehlte dieses Ziel 2017 auf Bundesebene. Seit einem Jahr liegt jedoch auch ein Antrag der Bundes­regierung vor, die Nazipartei von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Dieser Antrag wurde ermöglicht durch eine Gesetzesänderung. Als das zweite NPD-Verbotsverfahren 2017 scheiterte, wies das Bundesverfassungsgericht auf die Option hin, andere Sanktionen zu schaffen. Daraufhin wurde Artikel 21 des Grundgesetzes um einen Absatz erweitert, dem zufolge Parteien, »die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen«, von der staatlichen Finanzierung ausgenommen werden können, was auch steuerliche Begünstigungen betrifft. Die Hürden hierfür sind wesentlich geringer als beim Parteiverbot.

Ob dieser Absatz nach der Wahl relevant wird, bleibt abzuwarten. Die Chancen von Parteien der verschwörungsideologischen Querfront, in den Genuss staatlicher Finanzierung und Steuerbegünstigungen zu kommen, steigen: Einer Wahlprognose vom 24. Juli zufolge könnten die Sonstigen insgesamt 6,2 Prozent erreichen, 2017 kamen sie nur auf 3,8 Prozent. Leider ist damit nicht die Partei »Die Sonstigen« gemeint ist, die zur Wahl zugelassen wurde und auf Facebook einen recht sympathischen Auftritt hinlegt mit Positionen gegen Antiziganismus und Klimawandelleugner.