FPÖ-Obmann Norbert Hofer ist zurückgetreten, Nachfolger wird wohl Herbert Kickl

Kurz bald allein zu Haus?

Die Übernahme der FPÖ durch den hart rechten Fundamental­oppositionellen Herbert Kickl kommt der regierenden ÖVP äußerst ungelegen, verliert sie damit doch eine Koalitionsoption.

Am späten Nachmittag des 1.Juni tauchte kurz ein Tweet des FPÖ-Vorsitzenden Norbert Hofer auf, in dem dieser neben seiner Rückkehr aus einer Reha-Einrichtung auch seinen Abschied aus der Politik bekanntgab. Das Posting verschwand binnen weniger Minuten; wie die österreichische Tageszeitung Der Standard berichtete, waren Hofers Mitarbeiter von dem Tweet ihres Chefs derart überrumpelt gewesen, dass sie dahinter sogar zunächst eine In­trige seiner parteiinternen Gegner vermutetet haben sollen und ihn deshalb kurzerhand löschten.

Kickl repräsentiert den rechtsextremen Kern der FPÖ, er hatte lange keine Berührungsängste mit Gruppierungen wie den Identitären.

Doch eine halbe Stunde später verkündete Hofer in einer Pressemitteilung offiziell seinen Rücktritt als Bundesparteiobmann (Vorsitzender) der Freiheitlichen Partei Österreichs: »Meine Reise an der Spitze der FPÖ ist mit dem heutigen Tag zu Ende. Ich wünsche meiner Nachfolgerin/meinem Nachfolger in dieser Funktion viel Erfolg für die Zukunft«, so die für FPÖ-Verhältnisse ungewöhnlich genderneutrale, aber karge Mitteilung. Wenige Tage danach, am 7.Juni, trat das Präsidium der FPÖ zusammen und designierte den bisherigen Klubobmann Herbert Kickl als neuen Vorsitzenden. Seine Wahl beim Parteitag am 19.Juni dürfte trotz einiger innerparteilicher Gegner Formsache sein. Für die österreichische Innenpolitik hat der Wechsel an der Spitze der FPÖ womöglich weitreichende Konsequenzen.

Nach dem Ibiza-Skandal, der 2018 zum Ende der Koalition zwischen ÖVP und FPÖ führte, hatte der in den Skandal verwickelte langjährige FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache sich noch einige Monaten an seinen Sessel gekrallt, musste dann aber zurücktreten. Daraufhin übernahm der ehemalige Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer den Posten. Hofer, der als das freundliche Gesicht der FPÖ galt, setzte sich dabei gegen seinen Rivalen Herbert Kickl durch. Dieser war Innenminister der gerade zerbrochenen Koalitionsregierung gewesen. Wegen seiner Nähe zu Strache, aber auch wegen einiger bizarrer Projekte wie dem Einsatz zweier lahmender Pferde bei der Wiener Polizei, die ihm der ungarische Premiers Viktor Orbán geschenkt hatte, galt er damals innerparteilich als geschwächt.

Obwohl Hofer ideologisch nicht weniger weit rechts steht als Kickl, nahm ihn die Öffentlichkeit doch als konzilianter und präsentabler wahr, was nicht zuletzt an seinem gemütlich wirkenden Habitus, seiner ruhigen Art zu sprechen und seinem fast immer zur Schau gestellten Lächeln lag. Hofer hatte mehr von einem bürgerlichen Politiker als von einem rechten Demagogen und man sagte ihm eine gewisse weltanschauliche Flexibilität nach, was wohl auch daran lag, dass er die Partei wieder als möglichen Koalitionspartner präsentieren wollte, sollte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auch die derzeitige Regierungskoalition mit den Grünen sprengen und erneut auf Partnersuche gehen.

Herbert Kickl dagegen zeigte kein Interesse daran, die FPÖ anderen Parteien als Koalitionspartner anzudienen. Kickl hat seine Karriere als Redenschreiber für Jörg Haider begonnen. Er gefällt sich in der Rolle als knallharter Rechter, als die Massen aufwiegelnder Populist und vor allem als Oppositionspolitiker – denn der ambitionierte Kärntner hat nicht die geringste Lust, mit seinem Intimfeind Sebastian Kurz jemals wieder in derselben Regierung zu sitzen. Kickl war der Erste gewesen, dessen Rücktritt Kurz nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos forderte, und das hat Kickl nicht vergessen.

Kickl repräsentiert den rechtsextremen Kern der FPÖ, er hatte lange kei­ne Berührungsängste mit Gruppierungen wie den Identitären. 2016 trat er sogar bei dem von den Identitären organisierten Kongress »Verteidiger Europas« mit dem Who’s Who der europäischen rechtsextremen Szene auf. Wenn Kickl vor Publikum redet, zielt er auf maximale Emotionalisierung bis an die Grenzen der Verhetzung. Langjährige Bekannte beschreiben ihn als nachtragend, fanatisch, zielstrebig, sehr gebildet und höchst ideologisiert. Nun steht er womöglich vor der Erfüllung eines seiner Lebensziele: Bundesobmann der FPÖ zu werden.

Noch besteht die Möglichkeit, dass Kickl sich einem Gegenkandidaten stellen muss. Er gilt nicht gerade als Lieblingskandidat zweier bedeutender Fraktionen innerhalb der Partei: Sowohl der Wirtschaftsflügel als auch die Burschenschafter hätten wohl lieber einen Parteivorsitzenden, mit dem sie wieder Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung erhalten. Die deutschnationalen Burschenschaften liegen zwar ideologisch auf ­einer Linie mit Kickl, aber wichtiger noch als Ideologie sind ihnen gutbezahlte Posten in Verwaltung und staatsnahen Betrieben. Sowohl während der ersten ÖVP-FPÖ-Koalition ab dem Jahr 2000 als auch in der kurzen Neuauflage unter Kanzler Sebastian Kurz ergatterten Burschenschafter Dutzende hohe Posten, an die sie als Oppositionelle nie herangekommen wären. Kickl wird diese Gruppe also davon überzeugen müssen, dass sie unter seiner Führung neben der reinen rechten Lehre auch Aussicht auf gutbezahlte Positionen haben werden. Schon in der Pressekonferenz, in der Kickls Nominierung bekanntgegeben wurde, gab dieser aber den Fundamentaloppositionellen und bezeichnete die ÖVP von Sebastian Kurz als »das größte politische Blendwerk der zweiten Republik«.

Wahrscheinlich ist eine überraschende Gegenkandidatur beim Parteitag in der »Führerpartei« FPÖ nicht. Der oberösterreichische FPÖ-Landesvorsitzende Manfred Haimbuchner, ebenfalls ein harter Rechter, wenn auch ohne Kickls intellektuellen Touch, gilt als stärkster innerparteilicher Konkurrent. Haimbuchner wurde unter anderem mit wüster, unfreiwillig komischer Homophobie bekannt (»Ich will nicht, dass der Franz den Lois heiratet, damit sie den Sepp adoptieren können«). Bislang hat Haimbuchner keinen Anspruch auf das Amt des FPÖ-Vorsitzenden angemeldet, doch er ging auf Distanz zu Kickl. Er gilt als Vertreter eines eher konzilianten Kurses, der Koalitionsmöglichkeiten offenhalten soll. In Oberösterreich bildet die FPÖ eine Koalition mit den Grünen und der ÖVP. Im September stehen dort Landtagswah­len an, wodurch Haimbuchner beim Kampf um den FPÖ-Vorsitz fürs Erste aus dem Rennen ist, weil er sich dem Wahlkampf widmen muss.

Ein weiterer potentieller Kandidat wäre der niederösterreichische FPÖ-Vorsitzende Udo Landbauer gewesen. Auch er ist ein verbaler Radaubruder. Einst bezeichnete er die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als »Moslem-Mama« und auch sonst lässt er kaum eine Ge­legenheit verstreichen, gegen Mus­lime oder Geflüchtete zu hetzen. Dass Landbauer iranische Vorfahren hat, scheint dabei weder ihn noch seine Wähler zu stören – aber womöglich den Parteivorstand. Denn man sollte nicht vergessen, dass es hier um eine Partei geht, die sich einst als Sammelbecken ehemaliger NSDAP-Mitglieder formierte, und dass in diesen Kreisen Abstammung immer noch eine Rolle spielt. Landbauer teilte schon am Freitag vergangener Woche mit, er habe keine Ambitionen auf den Posten.

Einer wird aus der Sache womöglich als großer Verlierer hervorgehen, und der ist nicht mal in der FPÖ: Für Bundeskanzler Sebastian Kurz ist der Abgang Norbert Hofers äußerst unangenehm, fällt ihm damit doch höchstwahrscheinlich eine Koalitionsoption weg. Mit Herbert Kickl kann und will Kurz nicht regieren, was auf Gegenseitigkeit beruht, und selbst wenn der neue FPÖ-Vorsitzende Haimbuchner heißen sollte, wäre es höchst fraglich, ob einflussreiche ÖVP-Granden und die Wählerinnen und Wähler das Risiko eingehen wollen, womöglich binnen weniger Monate einen neuen Skandal der Sorte Ibiza erleben zu müssen.

Die SPÖ, die in Umfragen lange weit hinter der ÖVP lag, hat jüngst fast gleichgezogen. Ihr kommt zugute, dass die Regierung Kurz von Korruptionsskandalen erschüttert wird. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft Österreichs hat eine Untersuchung gegen den Bundeskanzler eingeleitet, weil er vor dem Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre Falschaussagen gemacht haben soll. Dabei ging es um Absprachen zur Besetzung eines Postens bei einem österreichischen Staatsunternehmen. Schon im Februar war das Haus des Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) durchsucht worden. Es ging um vermutete illegale Spenden des Glücksspielunternehmens Novomatic an die ÖVP.

Sympathisanten der SPÖ denken bereits über eine praktikable Alternative zur derzeitigen Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen nach. Als mögliches Szenario wird eine von der FPÖ geduldete Regierung aus SPÖ, Grünen und den liberalen Neos debattiert. Nicht offiziell, versteht sich. Kurz hat es sich mit der SPÖ und der FPÖ verscherzt. Und in der Wählerschaft der Grünen gärt es, denn sie können in dieser Regierung kaum eigene politische Akzente setzen, und nun droht ihnen auch noch, von der ÖVP, die immer mehr Probleme mit der Justiz bekommt, mit hinuntergezogen zu werden.