Porträt - N. Y. und K. Ö.

Pässe und Aufpasser

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N. . und K. ., so bezeichnen die türkischen Behörden eine 23jährige und einen 23jährigen, die wegen eines Tiktok-Videos verhaftet wurden. Inzwischen sind die beiden wieder auf freiem Fuß, müssen sich aber jeden Tag bei der Polizei melden, bis ihr Fall vor Gericht verhandelt wird. Die Anklage: »Beleidigung eines staatlichen Symbols«.

In ihrem Video – das, wie es für die social media-Plattform üblich ist, nicht einmal 30 Sekunden lang war – machten sie sich darüber lustig, wie wertlos der türkische Pass in der Coronakrise geworden war. Derzeit dürfen türkische Bürgerinnen und Bürger nur noch mit Sondererlaubnis das Land verlassen. Im Video zeigen die beiden daher, wozu man den Pass sonst noch verwenden kann, als Ofenhandschuh zum Beispiel, als Lesezeichen oder als Tassenuntersetzer. »Wir hatten nicht die geringste Absicht, die Republik Türkei zu beleidigen oder herabzusetzen«, sagte K. . vor Gericht, es sei nur ein harmloser »Pandemiewitz« gewesen. Aber nicht nur die Staatsanwaltschaft möchte diesen Witz bestraft sehen, auch auf Twitter fanden sich Humorlose zusammen. »Möge Allah diejenigen korrigieren, die sich über den türkischen Pass lustig machen«, kommentierte ein Account mit über 15000 Followern.

Reisepässe sind für die AKP derzeit ein sensibles Thema. Im April wurde aufgedeckt, dass Mitglieder der Regierungspartei in den illegalen Handel mit »Dienst­reisepässen« verwickelt waren. Diese auch »graue Pässe« genannten Dokumente gewähren ihren Inhabern das Privileg, ohne Visum in den Schengenraum einreisen zu dürfen. Türkische Lokalpolitiker sollen solche Pässe zum Preis von einigen Tausend Euro verkauft haben. Mehrere Dutzend Menschen sollen auf diesem Weg nach Deutschland ausgereist und dort untergetaucht sein, manche haben auch Asyl beantragt.

Peinlich sollte der AKP freilich mehr noch als die Korruption die Tatsache sein, dass so viele Menschen ihrer Herrschaft entkommen wollen. Immer mehr Türkinnen und Türken versuchen, das Land zu verlassen, insbesondere junge Menschen, die gut ausgebildet sind. Sie suchen eine bessere ökonomische Perspek­tive, aber viele fliehen auch vor dem immer repressiveren Klima in der Türkei – wo man sogar für einen harmlosen Witz vor Gericht landen kann.