Homestory

Homestory #16

Kurz vor Redaktionsschluss stehen die Spitzenkandidaten der drei großen Parteien für die kommenden Bundestagswahlen fest. Annalena Baerbock, Armin Laschet, Olaf Scholz – wer wird, wer soll Kanzler oder Kanzlerin werden? Auch im Chat, unserem virtuellen Redaktionsflur, wird die K-Frage diskutiert. Festlegen will sich niemand, immerhin bekennt ein Kollege, der anonym bleiben will, dass er einen Kanzler Scholz am ehesten ertragen könnte, als sozialpolitisch gesehen wohl kleinstes von drei Übeln; so fühle er sich »regelrecht genötigt«, SPD zu wählen.

»Ihr seid viel zu pessimistisch«, ätzt unser neuer Kollege und schmeißt mit ein paar lustigen Zitaten von Baerbock um sich. Auf Facebook hatte die Grüne versichert, dass »Veränderungen möglich sind, sie müssen nur angepackt« werden. »Klingt doch total super«, postet der Kollege. »Setz’ sicherheitshalber Zwinker-Smileys hinter solche Posts«, empfiehlt seine Kollegin, man gerate in linken Redaktionen ganz schnell unter Reformismusverdacht.

Ohne Ironie kommt auch die dialektische Betrachtung eines unserer Lektoren nicht aus. Er meint, dass sich die Grünen nach »vier Jahren Schwarz-Grün so gründlich blamiert haben werden, dass sie danach stärkste Partei werden«. Begründung: »Wenn ihnen Blamagen schaden würden, wären sie seit den Neunzigern nicht mehr im Bundestag.« So weit werde es gar nicht erst kommen, meint ein anderer Kollege. »Da es im September weder für Schwarz-Grün noch für Rot-Rot-Grün reicht und Lindner unerfüllbare ­Forderungen stellt, gibt es im März Neuwahlen. Dann wird Söder Kanzler der schwarz-grünen Koalition.« Aber auch dem Parteinachwuchs wird noch einiges zugetraut. Vor allem Kevin Kühnert hat ein paar Fans in der Redaktion. Kühnert im Kanzleramt, das fänden manche ganz gut. Doch auch der Youtuber Rezo, behauptet eine Kollegin, könne in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen, wenn »er die CDU und das gesamte Parteiensystem so weit zerlegt hat, dass er sich zum All-Parteien-Kandidaten hat aufstellen lassen«. Das Berghain würde ins Kanzleramt umziehen, weil Bundeskanzler Rezo seine Amtsgeschäfte bequem aus dem Homeoffice führen will und ab und zu auf Youtube zum Volk spricht. So in etwa.