Die Türkei leidet immer stärker unter Wassermangel

Der Präsident lässt beten

Der Dezember ist ein kalter, feuchter Monat in Istanbul, die Temperaturen liegen nur geringfügig über denen in Deutschland. Man schließt die oft nicht besonders dichten Fenster, während unten die Verkäufer durch die kalten Gassen ziehen und ihr Hirsebier anpreisen: »Boza, boza, boooza!« Mitunter fällt auch Schnee. Dann bricht der Verkehr zu beiden Seiten des Bosporus zusammen, man gibt sein etwaiges Vorhaben auf und kämpft sich durch die weißen Massen zurück nach Hause, in der Hoffnung, dass noch genügend Gas zum Heizen und Kochen in der Flasche ist.

Vergangenes Jahr aber wehte noch im späten Dezember warme Luft durch die Straßen der türkischen Metropole. Die Höchsttemperaturen lagen bei sommerlich anmutenden 25 Grad. Und ungewöhnlich warm war es nicht nur an den Küsten, sondern auch tief im Landesinnern. Im anatolischen Sivas wurden um den 10. Januar über 18 Grad gemessen – sonst liegt die Durch­schnitts­temperatur dort in dieser Zeit bei drei Grad Minus. Seit Beginn der Messungen vor 91 Jahren ist die Temperatur in Sivas im Januar nie über 14 Grad gestiegen.

Ein besonders großes von Erdoğans Projekten bringt eine zusätzliche Bedrohung für Istanbuls Wasserversorgung. Es handelt sich um den Kanal Istanbul, der das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbinden soll.

Auch im Schwarzen Meer herrschen ungewöhnliche hohe Temperaturen. Zum ersten Mal wurde beobachtet, dass die Fischschwärme ihre Richtung ge­ändert haben. Fische suchen nach kühlerem Wasser, weil es mehr Sauerstoff enthält.

Türkische und georgische Schwarzmeerfischer klagen gleichermaßen, weil ihre üblichen Fanggebiete leer sind.
Probleme haben auch die Binnenfischer in der Türkei. Der Fluss Yeşilırmak, der sich in einem weiten Bogen durch Anatolien schlängelt, ist in diesem Januar zu einer seichten Brühe verkommen. Zur ungewöhnlich hohen Wassertemperatur kommt ein niedriger Wasserstand. Den Fischen geht der Sauerstoff aus.

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