Homestory #1

Die Gefahren für Redaktionsmitglieder sind in den Räumlichkeiten der Jungle World überschaubar. Sich den Mund am frisch aufgebrühten Kaffee zu verbrennen, ist unangenehm; am heißesten Tag des Jahres im Außenfahrstuhl steckenzubleiben, schweißtreibend; in einer hektischen Schlussproduktion voller Elan am großen Konferenztisch hängenzubleiben, schmerzhaft am Oberschenkel. Da kann der Arbeitsweg schon tückischer sein: Gleich zwei Redakteure zogen sich in den vergangenen Jahren bei Fahrradstürzen komplexe Brüche zu – Operationen, Physiotherapien, das volle Programm. Aus dem Homeoffice, in dem sich die Redaktion seit geraumer Zeit befindet, gab es bislang keine Berichte über Frakturen, dafür regelmäßig Klagen über Rückenschmerzen nach langen Arbeitstagen in verkrümmter Position auf dem Sofa. Sieht man sich auf den einschlägigen Websites von Krankenkassen um, besteht wohl die Gefahr chronischer Haltungsschäden. Mehr dazu vielleicht in künftigen Homestorys.

Von Gefahren eines völlig anderen Ausmaßes kündet die »Jahresbilanz der Pressefreiheit 2020«, die die Organisation Reporter ohne Grenzen erstellt hat. Weltweit wurden im vergangenen Jahr mindestens 50 Journalistinnen und Journalisten getötet. 42 von ihnen wurden gezielt ermordet, weil sie sich auf kritische Weise Themen wie dem organisierten Verbrechen, der Korruption und der Umweltzerstörung widmeten. Acht starben im Einsatz, vorwiegend in Kriegsgebieten. Mindestens 387 Journalistinnen und Journalisten saßen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, mehr als die Hälfte von ihnen in China (117), Saudi-Arabien (34), Ägypten (30), Vietnam (28) und Syrien (27). 54 Kolleginnen und Kollegen gelten als entführt, drei Journalisten und eine Journalistin verschwanden im vergangenen Jahr unter ungeklärten Umständen.

Einer der Ermordeten war der iranische Journalist und Blogger Ruhollah Sam. Er hatte als Flüchtling in Frankreich gelebt und von dort aus kritisch über das iranische Regime berichtet. Während ­eines Aufenthalts des Journalisten im Irak im Oktober 2019 hatten iranische Revolutionsgardisten ihn festgenommen und in den Iran verschleppt. Im Juni 2020 wurde er dort unter anderem wegen »Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit« und »Belei­digung des Islam« zum Tode verurteilt, am 12. Dezember wurde Sam in Teheran erhängt. Es handelte sich weltweit um die erste Hinrichtung eines Journalisten seit 30 Jahren.

Mögen also in der Redaktion der Jungle World Knochen brechen und Rücken ziepen – es ist alles halb so wild. Erfreulich wäre es, würde das Jahr 2021 weitaus sicherer für all die wirklich gefährdeten Kolleginnen und Kollegen da draußen.