Wie Ellen Kositza wurde, was sie ist

Der Etikettenschwindel von Schnellroda

Früher rühmte sich Ellen Kositza, aus Überzeugung und freien Stücken rechts geworden zu sein. Zurzeit erzählt sie eine andere Geschichte. Notizen aus Neuschwabenland, Teil 45
Kolumne Von

Bei Gefahr wird getrommelt, bis sich der Stamm ums Feuer sammelt. Dann ist der Volksgenosse doch näher als der Genosse und man kennt keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Das weiß auch der Selbstdarstellungskünstler Anselm Lenz und führt eine besondere Links-rechts-Performance auf.

Lenz, einstmals ein Mitglied der linksliberalen Kunst- und Theater-Boheme, ist eine große Nummer bei den sogenannten Querdenkern geworden. Für seinen Kampf gegen die »Coronadiktatur« gibt er die Zeitung Demokratischer Widerstand heraus. Dort bot Lenz Anfang November ein Kolumnenduett mit Ellen Kositza dar, ihres Zeichens Hausautorin des neurechten Verlags Antaios. Sein Bekenntnis lautete: »Ich bin links«, ihres: »Ich bin rechts.« Die Botschaft war: »Kommt alle zu uns.« Die »Coronarebellen« seien gar nicht so rechts, wie die Medien behaupteten, sondern vielfältig, offen und bunt – der ideale Rahmen also für eine neurechte Paradedisziplin: die Harmlosigkeitsmimikry.

Wie Lenz ist auch Kositza eine begnadete Selbstdarstellerin, gemeinsam mit ihrem Gatten Götz Kubitschek ist sie immer auf der Suche nach Öffentlichkeit. Medialen Erfolg hatten die beiden als neurechte Variante des APO-Pärchens Rainer Langhans und Uschi Obermaier, nur sind sie etwas steifer. Kositza durfte in Lenz’ Blatt »Querdenker« agitieren und von Opfer zu Opfer sprechen: »Ich bin rechts. So will es das Etikett. Ich habe es mir nicht ausgesucht, aber nach vehementer Zuweisung von außen beizeiten angenommen.«

Das ist bemerkenswert. Seit Jahren betont Kositza stolz, wie mutig man in ihrem Milieu gegen den Strom schwimme, wie selbstbestimmt ihre »zweite Geburt« als »Rechte« gewesen sei. In einem Artikel nach dem anderen beschrieb sie, welche Bücher (vornehmlich aus dem eigenen Verlag) und Ereignisse ihr dabei den Weg gewiesen hätten und wie sie als einsame, aber freie Waldgängerin aus Überzeugung die mühseligen, aber selbstgewählten Wege abseits der breiten Straßen beschritten habe. Doch nun soll das alles anders gewesen, sie soll »rechts« gemacht worden sein. Womöglich muss sie in Zukunft achtsam als »rechts gelesene Person« bezeichnet werden.

Es dürfte sich ein Feuilleton finden, das Kositza die neue Version ihrer Geschichte abkauft und sie im Namen der Toleranz normalisieren will. Daher der Vollständigkeit halber einige Quellen: Mit dem Bändchen »Wir 89er« drängte 1995 eine ganze Reihe Jungrechter ins Rampenlicht, darunter nur zwei Frauen, eine von ihnen war die 1973 geborene Ellen Kositza. Die damalige Lehramtsstudentin hatte bereits als Teenager begonnen, für die Junge Freiheit zu schreiben. Sie gab die junge Wilde, ihre politischen Bekenntnisse klangen eher nach NPD als nach Neuer Rechter: Sie forderte »befreiten Zonen« sowie die Wiedereinführung der Todesstrafe und pflegte eine besondere Abneigung gegen Ignatz Bubis, den damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden. Auf die Frage, welche Personen sie am tiefsten verachte, antwortete sie: »Diejenigen, die ihre Heimat verraten.« Lieber waren ihr der faschistische Mystiker Julius Evola und tatkräftige Männer. Noch 2019 schrieb sie rückblickend auf diese Anfangszeit: »Ich war eine jener seltenen Blüten, die ›abseits von Bierhallenchauvinisten, rechtsextremen Kadern und kurzhaarigen Gewalttätern das Undenkbare wagten: rechts zu sein‹.« Keine Spur von Fremdzuschreibung.

Der Antaios-Kreis publizierte 2015 den Gesprächsband »Tristesse Droite«, in dem die führenden Akteure der Neuen Rechten über den heroischen Habitus des Einzelgängerdaseins plauderten. Sie erzählen ausführlich, wie sie »rechts« wurden. Mittendrin und sogar auf dem Titelbild: Ellen Kositza. Wichtig war ihr herauszustellen, dass sie früh ins Milieu eingestiegen sei. Sie sei als Vertriebenentochter »mit Volkstumsfragen aufgewachsen« und habe als Jugendliche die Schriften des NS-Kulturkämpfers Alfred Rosenberg gelesen. Dann gab es noch die Clique: »Auf meinem Gymnasium waren ja nur Mädchen, das war dann naturgemäß etwas flacher, artiger, im Ganzen völlig uninteressant jedenfalls. Die Rechten waren abenteuerlicher. Da war viel mit Waffen, Drogen, Tätowierungen, schon ganz früh, die waren alle in meinem Alter.«

Außerdem hätten sie als Zehnjährige Reitstunden in einem edlen Stall geprägt: »Es war die pure Herrlichkeit. Dressurreiten, echt, ich gerate noch heute ins Schwärmen, das ist die ästhetische Speerspitze der Menschheit. Dieser Einklang von Befehl und Gehorsam, in vollkommener Harmonie!« Doch als sie einige Zeit später wieder den Reitstall besucht habe, sei alles verdorben gewesen. Laxe Haltung sowie ein Mangel an Rücksicht und Freundlichkeit seien an die Stelle der Disziplin getreten. »Mittlerweile durften auch Mädchen in Jeans mitreiten. Es war eine herbe Enttäuschung. Nichts fügte sich mehr. Für mich war das, rückblickend, einer der frühesten Scheitel- oder Erkenntnispunkte. Was rechts ist, dass rechts richtig ist.«

Drei Jahrzehnte lang buhlte Kositza um öffentliche Aufmerksamkeit als echte und einzig wahre »Rechte«. Diese Position wählte sie mit Vehemenz selbst, sie zog ihre ganze Distinktion daraus. Doch nun soll die Gesellschaft schuld gewesen sein, die sie »etikettiert« habe? Wer das glaubt, glaubt wahrscheinlich auch an den Anbruch einer »Coronadiktatur«.