Infektionsschutz nicht nur in der Freizeit notwendig

Wenigstens schummeln

Was kümmert mich der Dax Von

Mit viel Geduld bemüht sich Christian Drosten seit nunmehr einem Dreivierteljahr um Aufklärung in Sachen Covid-19-Pandemie. Hat er diese Geduld nun verloren und sich der Subversion verschrieben? »Am besten wäre es, wir täten alle so, als wären wir infiziert und wollten andere vor Ansteckung schützen«, empfahl Deutschlands Chefvirologe der Herzen Anfang vergangener Woche. Nimmt man ihn wörtlich, ist das ein Aufruf zum Generalstreik. So hat Drosten es vermutlich nicht gemeint, aber wer sich verhält, als wäre er infiziert, drängelt sich nicht mit Dutzenden anderen Menschen in einem U-Bahnwaggon, Klassenraum oder Großraumbüro, in einer Lagerhalle oder am Fließband. Das allerdings ist des und der Deutschen Pflicht, wie die Bundesregierung unmissverständlich klargestellt hat. Dagegen sind auch epidemiologisch unbedenkliche Freizeitaktivitäten wie ein Spaziergang von drei Menschen aus verschiedenen Haushalten mit Abstand und Maske verboten – dergleichen sei »angesichts der ernsten Lage in unserem Land inakzeptabel«.

All work and no play – das war gerade in Deutschland nicht anders zu erwarten. Man könnte angesichts der ernsten Lage für ein paar Wochen darüber hinwegsehen, doch auf diese Weise wird die Pandemiebekämpfung zum Glücksspiel, bei dem die Bundes­regierung darauf setzt, dass es schon irgendwie reichen wird. Das aber wird es wahrscheinlich nicht. Auch ohne »die Wirtschaft« ungebührlich zu belasten, hätte man zumindest den Schulunterricht in Kleingruppen organisieren und die Rückkehr aus dem Homeoffice nur bei nachgewiesener Notwendigkeit gestatten sollen. Damit würden viele Millionen alltäglicher Nahkontakte in geschlossenen Räumen inklusive des öffentlichen Nahverkehrs vermieden. Dieser hat chinesischen Untersuchungen zufolge einen hohen Anteil an den Infektionen, der mit deutschen Tracing-Methoden jedoch nicht messbar ist. Bestätigt hat sich die ebenfalls zunächst in China gewonnene Erkenntnis, dass es außerhalb geschlossener Räume nur ein sehr geringes Infektionsrisiko gibt, sofern nicht große Gruppen über längere Zeit eng zusammenkommen. Doch die Bundesregierung lässt sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht beirren.

Angesichts mangelnder Streikbereitschaft von Schülerinnen, Schülern und Lohnabhängigen bleiben derzeit nur individuelle Verweigerung und Schummeln. So teilte eine Berliner Schule den Eltern mit: »Wenn eine Person aus eurem Haushalt einen Covid-19-Test macht, weil ein Verdacht besteht, meldet bitte eure Kinder zum Schutz der anderen Kinder und der sie begleitenden Erwachsenen krank. Gerne könnt ihr euch mit den Lernbegleitern absprechen, um Material zu bekommen. Zu Hause anleiten dürfen wir das Lernen eurer Kinder offiziell leider nicht, da der Senat sehr stark auf die Einhaltung des Präsenzunterrichts achtet.« Für Lohnabhängige ist eine tele­fonische Krankschreibung bei leichten Atemwegs­erkrankungen weiterhin möglich. Zur Pandemie­bekämpfung ist es erforderlich, Regeln zu befolgen, aber auch, sich jenen staatlichen Vorgaben zu widersetzen, die die Gesundheit gefährden.