In Koblenz läuft ein Prozess gegen zwei mutmaßliche Schergen des Assad-Regimes

Überläufer vor Gericht

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Die Bundesanwaltschaft stützt sich in der Anklage auf drei verschiedene Arten von Beweismitteln: Die erste sind Aussagen von Opfern und Angehörigen, die als Zeugen vor Gericht erscheinen werden und von denen einige als Nebenkläger auftreten. Sechs vorgesehene Zeugen haben das Gefängnis al-Khatib überlebt, andere haben dort Angehörige verloren. Ihre Aussagen sollen ab Juli vor Gericht aufgenommen werden.
Als zweite Art von Beweismitteln dient eine Sammlung von 28 000 Fotografien, die ein syrischer Militärfotograf mit dem Decknamen »Caesar« von Opfern der Foltergefängnisse in einem Krankenhaus in Damaskus aufnahm. »Caesar« schmuggelte die Aufnahmen 2013 außer Landes und flüchtete nach Europa. Das Gericht zieht die Fotos zur Dokumentation der Taten und zur Identifikation der Opfer heran.

Die dritte Art von Beweismitteln ist problematisch: Es handelt sich um Aussagen der mutmaßlichen Täter. Die beiden Angeklagten machten Angaben zu ihrer Funktion im Apparat Assads, nachdem sie übergelaufen waren, und bezichtigten sich so unabsichtlich selbst. Eyad A. gab in seinem Asylverfahren an, was er in Syrien getan hatte. Anwar R. bot sich als Zeuge für die syrische Opposition an, nachdem er Ende 2012 zu ihr übergelaufen war. Dass er überhaupt verhaftet wurde, liegt an einem Zufall: 2015 bat er deutsche Behörden um Schutz vor mutmaßlichen syrischen Regimeanhängern, von denen er sich bedroht fühlte. Die Polizisten leiteten die Angaben R.s an die Bundesanwaltschaft weiter, woraufhin diese ­Ermittlungen gegen ihn einleitete.

A. schweigt bislang zu den Vorwürfen. Der Hauptangeklagte R. machte eine schriftliche Aussage, die am fünften Verhandlungstag am 18. Mai verlesen wurde. Darin bestreitet er die Vorwürfe: Er sei entweder nicht zuständig gewesen oder er habe in Wahrheit den Opfern geholfen. Sein Überlaufen zur Opposition sei der Beweis für seine tatsächliche politische und moralische Haltung. Zudem verweist er auf seine Teilnahme an einer Friedenskonferenz in Genf.

Hier zeigen sich die Schwierigkeiten des Prozesses. Einerseits könnte zum ersten Mal ein hoher Beamter des Regimes für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Eine Verurteilung zu einer hohen Haftstrafe hätte internationale Signalwirkung, besonders auf Syrien. Andererseits sitzen in diesem Fall zwei Männer auf der Anklagebank, die sich mutmaßlich vom Regime lossagten und nach Europa flohen, während regimetreue Täter in Syrien weiterhin unbehelligt bleiben. Beiden Beschuldigten wurden ihre Aussagen zu ihren früheren Taten zum Verhängnis. Dies könnte absurderweise dazu führen, dass diejenigen, die sich vom Assad-Regime lossagen und überlaufen, künftig lieber schweigen, anstatt zur Aufklärung von Verbrechen beizutragen. Nicht zuletzt deshalb zeigt der Prozess vor allem eines: wie sehr die westlichen Staaten in Syrien versagt haben. Denn mittlerweile besteht keine Gelegenheit mehr, die Hauptverantwortlichen des Regimes zur Verantwortung zu ziehen.