Islamistische Propaganda unter den Bedingungen der Pandemie

Das Virus der Sünder

Islamisten instrumentalisieren die Covid-19-Pandemie zur Verbreitung ihrer religiösen Propaganda.

»Al-Islam huwa al-Hall« – der Islam ist die Lösung. So lautet die zentrale ­Losung des politischen Islam und der Islamisten. Alle Probleme der Welt könne man auf die mangelhafte Befolgung religiöser Gebote zurückführen, die totalitäre staatliche Durchsetzung des Islam auf allen Ebenen führe zu ­einer vollkommenen Gesellschaft. Diese Weltsicht verbindet trotz der Unterschiede zwischen islamistischen Gruppen deren Haltung zur Covid-19-Pandemie. Folglich ist allen Strömungen gemeinsam, dass sie die Pandemie religiös interpretieren, und zwar als Folge von Sünden gegen Gott und den Islam. So sieht der Salafist Pierre Vogel die Pandemie als Zeichen Gottes und freut sich über die Schließung »sündiger« Orte wie Bordelle, Bars und Clubs. Sein Weggefährte Dennis Rathkamp drückt es so aus: »Insbesondere die vorübergehende Schließung von reinen Vergnügungsorten wie Kinos oder Schwimmbädern ist ein sehr geringer Preis, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten. Doch sind natürlich nicht nur reine Spaßveranstaltungen hiervon betroffen, sondern auch wichtige religiöse Veranstaltungen.«

Andere aus dem Milieu hielten das Virus anfangs für eine Botschaft Gottes an die Chinesen: Es sei die Strafe für die Unterdrückung der muslimischen Uiguren. Sunnitische Islamisten freuten sich auch über die starke Verbreitung im schiitischen Iran. Seit die Pandemie jedoch auch sunnitische Länder und Muslime im Westen getroffen hat, ist die Schadenfreude etwas verflogen. Seither bestimmen vor allem antisemitische Verschwörungstheorien den Ton.

Auch die Muslimbruderschaft hält das Virus für eine göttliche Strafe. So heißt es in einer Fatwa des der Muslimbruderschaft nahestehenden Fatwarats (Jungle World 3/2020), es sei die Pflicht der Muslime, »bei Aufkommen von Seuchen und anderem Unheil zu Allah zurückzukehren«. Das Virus sei eine »schwere Prüfung« und die Gläubigen hätten die Pflicht, sich Gott »durch viele Gottesdienste wie Gebet, Spende, Fasten u. ä. zu nähern. In Demut haben sie Ihn häufig anzubeten, auf dass Er ihre Heimat und alle Länder der Welt von der Epidemie befreien möge.« Die Gläubigen sollten »in ständiger Bitte um Vergebung und wahrhaftiger Umkehr« sein. Da also Gott hinter ­allem weltlichen Geschehen stehe, sei die Lösung für alle Probleme, und somit auch die der Coronakrise, in der religi­ösen Praxis des Islam zu finden. Der Islam halte gegen die Verbreitung des Virus zu »präventiven Maßnahmen« und »sorgsamer Hygiene« an, schreibt der Fatwarat. Zu den Aufgaben der Religion gehöre es auch, »die Gläubigen dazu aufzufordern, die gesundheitlichen Anweisungen der entsprechenden Behörden einzuhalten«.

Doch die Religion kann ohne die Gemeinschaft und soziale Kontrolle der Moschee nicht bestehen, weshalb die Moscheegemeinden früh auf die Auf­hebung der diese betreffenden Beschränkungen hinarbeiteten. Marcel Krass beispielsweise zog mit seiner »Föderalen Islamischen Union«, deren Vorstandsvorsitzender er ist, gegen das strikte Verbot von Gottesdiensten in Niedersachsen vor das Bundesverfassungsgericht. Die Klage des Salafisten war es, die das Abhalten von Gottesdiensten unter Auflagen auch den Kirchen wieder ermöglichte. Wenige Tage später stellte Krass die Gerichtsentscheidung auf seiner Facebook-Seite indirekt in den Kontext eines gott­gewollten militärischen Sieges über die Ungläubigen.

Ein Islamistenprediger aus Berlin erschwindelte derweil 18 000 Euro, indem er mit mutmaßlich falschen Angaben Coronahilfen des Staates be­antragte. Die Freude währte nicht lang: Die Behörden erkannten den Betrug und beschlagnahmten die Summe wieder.

Aber auch die vom türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdoğan bezahlten Islamisten machten von sich reden: Ali Erbaş, der Präsident des Diyanet, der staatlichen türkischen Religionsbehörde, die von Ankara aus ihre Imame auch nach Deutschland entsendet, hat Schwule und Lesben als an der Covid-19-Pandemie Schuldige ausgemacht. »Der Islam zählt Unzucht zu einer der größten Sünden, er verdammt die ­Homosexualität«, verkündete er. Er nannte es zudem »wissenschaftlich ­erwiesen«, dass HIV »und ähnliche Viren« durch »Schmutz« verbreitet würden. Aber auch uneheliche Beziehungen seien an der Krise schuld. Auch die etwa 1 000 Ditib-Moscheen in Deutschland unterstehen Erbaş’ Diyanet. Als dessen Hasspredigt von der Anwaltskammer Ankaras kritisiert wurde, sprach Erdoğan ihm seine Unterstützung aus. Seitdem wird gegen die ­Anwälte ermittelt. Der Vorwurf: Herabwürdigung religiöser Werte.