Die Fans von Bernie Sanders sind nach seinem Rückzug tief enttäuscht

Burn-out bei den Bernie-Bären

Die preisgekrönte Reportage

Jean G. ist am Boden zerstört: »Wa­rum, Bernie? Warum?« Der 38jährige ist in der für seinen Verein typischen Tracht zu sehen: ein riesiges unförmiges Sakko, Drahtgestell auf der Nase und Wattebäuschchen an der Stirn. Zusammen mit seinen vier Mitstreitern im »1. Bernie-Sanders-Fanclub Köln-Rodenkirchen« hat Jean fassungslos die Vorwahlen im fernen Wisconsin verfolgt. Das Ergebnis ist eindeutig: Bernie Sanders, der beliebte Knautschgreis mit Muppet-Charme und traditionellen sozialdemokratischen Ansichten, steigt aus dem Rennen zur Präsidentschaftskandidatur aus, übrig bleibt der beliebte Wuschel-Opa Joe Biden, der vor allem mit klassisch sozial­demokratischen Forderungen zu überzeugen wusste.

»Ich kann es einfach nicht fassen«, ächzt Jean, nachdem er die blaue Cosplay-Krawatte gelockert hat. »Wir haben alles dafür getan, dass Bernie sein Ding durchziehen kann! Ich bin tief enttäuscht von den amerikanischen Demokraten, werde künftig eine andere Partei in einem anderen Land unterstützen.« Jean ist mit ­seiner Trauer und Fassungslosigkeit nicht alleine: Viele Deutsche hätten sich gewünscht, dass mit Sanders in den USA endlich eine Politik einkehrt, der sie auch in Deutschland nie und nimmer an die Macht verhelfen würden.

»Sanders hätte den Sozialismus eingeführt, die Wall Street angezündet und dann sehr schnell die technologische Singularität erschaffen«, so Jean in Folge 119 seines blitzschnell publizierten Podcasts »Die Bernie-Bären«. »Im deutschen Twitter sah es monatelang so aus, als hätte er gewinnen können. Da frage ich mich schon: Würden die Demokraten notfalls auch zu Wahlmanipulation greifen, um Sanders zu verhindern?« Jean, der nur kursorische Kenntnisse des US-amerikanischen Wahl- und Parteiensystems vorweisen kann, wird nun versuchen, seine Wut anders zu kanalisieren: »Zum Beispiel über Antiamerikanismus! Wenn das amerikanische Volk einen leibhaftigen Messias in seiner Mitte nicht erkennt – trotz meiner vielen Hinweise in den sozialen Medien! –, dann kaufe ich auch künftig keine Airbusse mehr. Enough is enough!«

Jean will sich künftig auf seine Arbeit in der SPD-Ortsgruppe und in seinem Job als Vizesprecher der Kölner Industriekammer konzentrieren: »Der deutsche Sozialstaat funktioniert, und ich sorge dafür, dass das so bleibt. Ohne die Irren von der Linkspartei! Vielleicht lässt sich aber Herr Sanders mal für einen Gast­auftritt hier bei der IHK gewinnen? Zeit hat er ja jetzt!«

Aus der Urteilsbegründung:
Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.