Die Spargelernte steht auf dem Spiel.

Jetzt geht’s um den Wurz

Die preisgekrönte Reportage.

»Die Weltöffentlichkeit hat uns vergessen. Jetzt bleibt uns nur mehr ein kalter, stiller Tod, den niemand sieht.« Es sind schockierende Sätze, die Bernwart Wurz diese Woche in die Mikrophone der Deutschen Presse-Agentur sagte. Der Sprecher der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ist besorgt – besorgt um Deutschlands Spargelernte. »Schon Albert Schweitzer sagte: Wenn der Spargel stirbt, hat der Mittelstand nur mehr drei Monate. Und wenn der Mittelstand stirbt, dann … Bitte entschuldigen Sie mich.« Er wischt ein Salzkorn aus dem Auge.

Es sind emotionale Momente. Momente, wie sie derzeit viele Branchen treffen, die bisher abhängig von ausländischer Sklavenarbeit waren. »Es gibt zwar viele Freiwillige«, gibt Wurz zu. »Aber all die Menschen, die sich jetzt bei uns melden, wollen nicht in Zelten schlafen, ihren Pass abgeben und mit Tankgutscheinen bezahlt werden. Mit einer derart enthemmten Anspruchsmentalität können wir nicht umgehen!«

Der deutsche Spargel – ein stinkendes, nährstoffarmes Billiggemüse, hauptsächlich serviert als verschämte Beilage zu in Fettsaucen ertränkten Schnitzeln, steht wie wenig sonst emblematisch für die gastronomische Kultur in diesem Land. »Es muss jetzt ein Hilfspaket geben«, weint Wurz und schnäuzt sich in ein Seidentaschentuch. »Wenn wir jetzt anfangen müssten, Löhne zu zahlen, wird das Zeug doch auf den Feldern verrotten!« Auch die Liga deutscher Ratskellerrestaurants schlägt Alarm. Ein Sprecher: »Wie sollen wir unsere drei Standardgerichte aus der Convenience-Folie jetzt saisonal rebranden? In der Kürze der Zeit können wir die Leute nicht an Schwarzwurzeln gewöhnen!«

Wurz hat Angst; Angst, dass der Trend auch auf weitere Branchen überschwappt. »Eventuell kommen die Leute darauf, dass auch die Fleischwirtschaft seit Jahrzehnten nur mehr von Knechtschaft zusammengehalten wird. Ich sehe erste Versorgungskrisen auf uns zukommen!« Wurz hofft auf weitere Freiwillige in Sachen Spargel: »In NRW haben sich schon einige Tausend gemeldet – kein Witz! Das Wort ›Freiwillige‹ ist natürlich etwas decouvrierend für unsere sonstigen Arbeitsverhältnisse, aber egal. Das ist ein Notstand wie früher das Elbe-Hochwasser. Zupft den Scheißdreck aus dem Boden, Leute!«

Aus der Urteilsbegründung:
Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.