Über den Streit zwischen Fußballfans und DFB

Funktionäre gegen Fußballfans

Wie umgehen mit dem Fall Hopp? Linke sollten den Fans des FC Bayern zur Seite stehen

Die gute Nachricht vorweg: Es hat nicht allzu lange gedauert, bis sich in die reißerischen Nachrichten von der Schande des Fußballs auch weitaus besonnenere und gemäßigtere Ansichten mischten. Zunächst war es kaum zu verhindern gewesen, dass die ersten Schlagzeilen vom Boulevard und seinen üblichen Beteiligten geprägt wurden. Doch das Ausmaß an Aufgeregtheit, mit der am letzten Februarwochenende die Causa Hopp die deutsche Fußballberichterstattung dominierte, war doch überraschend.

Was war passiert? Die Kurzfassung: Dietmar Hopp, Mäzen und de facto Besitzer des Fußballbundesligisten TSG Hoffenheim, war bei der Partie seines Vereins gegen den FC Bayern München zum wiederholten Male von gegnerischen Fans als »Hurensohn« beschimpft worden. Anders als viele Male zuvor und anders als bei Tausenden anderen Beleidigungen dieser Art an jedem beliebigen Bundesligawochenende nahm Schiedsrichter Christian Dingert die Verbalinjurien zum Anlass, die ­Begegnung gleich zweimal zu unterbrechen.

Einige Funktionäre wie etwa DFB-Präsident Fritz Keller schafften es gar, die Beleidigungen gegen Dietmar Hopp ausgerechnet mit Bezugnahme auf die rassistischen Morde von Hanau zu verurteilen.

Die Spieler beider Mannschaften stellten schließlich in einem grandios inszenierten Akt der Solidarität das Fußballspielen ein und kickten sich beim Stand von 6:0 für den Rekordmeister aus München lustlos den Ball am Mittelkreis hin und her. Im Anschluss an die Partie brach ein gewaltiges Mediengetöse los. Der einhellige Tenor war zunächst: Die Beleidigungen der Bayern-Anhänger stellten im Prinzip die schwärzeste Stunde des Fußballs seit Anbeginn der Zeiten und einen Ausdruck niederster Bosheit dar, den Chaoten in den Fankurven sei dringend das Handwerk zu legen und wer Hopp kein uneingeschränktes Mitgefühl ausspreche, mache sich zum Komplizen.

So maßlos überhitzt bereits diese Version der Geschichte klingt – auch der Langfassung mangelt es nicht an Absurdität. Diese beginnt bereits mit dem Aufstieg der TSG Hoffenheim von einem im Amateursport ­beheimateten Dorfclub zum etablierten Bundesligisten, der wesentlich aus der prall gefüllten Geldschatulle des SAP-Milliardärs Hopp finanziert wurde. Den aktiven Fußballfans hierzulande – vereint in der Verteidigung des hergebrachten Vereins­wesens – war Hopp seit jeher ein Dorn im Auge. Insbesondere die Fans von Borussia Dortmund kritisierten das Hoffenheimer Modell unablässig und blieben in ihren Formulierungen dabei nicht immer innerhalb der Grenzen des guten Geschmacks. Die Fehde zwischen Hopp und den BVB-Fans entwickelte sich dabei schnell zu einem veritablen Kleinkrieg: Störgeräusche via Lautsprecheranlage gegen die Fans im Gästeblock und Anzeigen wegen Beleidigung hier, Banner mit Hopps Konterfei im ­Fadenkreuz da. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich vor einigen Wochen der Deutsche Fußballbund (DFB), als er einen bewährten Kompromiss mit den Fanszenen aufkündigte und entgegen dem Versprechen, künftig keine Kollektivstrafen zu verhängen, sämtlichen Dortmunder Anhängern für die kommenden zwei Spielzeiten untersagte, ihr Team zu den Auswärtsspielen bei der TSG Hoffenheim zu begleiten.

Das Echo der aktiven Fans war ebenso vorhersehbar wie deutlich. Den Beginn machten Ultras von Borussia Mönchengladbach, die beim Spiel ­ihres Clubs gegen Hoffenheim Hopp im Fadenkreuz präsentierten und die »Hurensohn«-Beleidigung wiederholten. Dann taten es ihnen die Bayern-Ultras gleich, Fans des 1. FC Köln, von Union Berlin, Hannover 96 und weiteren Vereinen sollten folgen. Und plötzlich galt Hopp geradezu als die gefährdetste Person der Fußballöffentlichkeit. Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, sprach vom »hässlichen Gesicht des Fußballs«, Mönchengladbachs Manager Max Eberl und DFB-Präsident Fritz Keller schafften es gar, die Beleidigungen gegen Hopp ausgerechnet mit Bezugnahme auf die rassistischen Morde von Hanau zu verurteilen.

Kurzum: Infolge der wiederholten persönlichen, aber mitnichten gewalttätigen Angriffe gegen einen der ihren beschworen die Fußballoberen einen handfesten Skandal herauf. Nicht umsonst machte die Vokabel »Klassenkampf« die Runde. Die nach jahrelanger Ignoranz bei Ereignissen ähnlicher und weitaus schlimmerer Art ziemlich willkürliche erscheinende Empörung über die Anfeindungen gegen Hopp wirkt wie eine konzertierte Aktion gegen die aktiven Fangruppen, die ein Gegengewicht zur niemals enden wollenden Kapitalvermehrung im Milliardengeschäft Bundesliga darstellen. Dass über diskriminierendes Verhalten erst dann ernsthaft gesprochen wird, wenn es um einen milliardenschweren, weißen deutschen Unternehmer geht, der, wie Andrej Reisin bei Vice treffend kommentierte, »von Verbänden, Politik und Journalismus mehrheitlich hofiert« wird, also gerade nicht ein Opfer von ­Diskriminierung ist – das kann bestenfalls nur als zynisch bezeichnet werden.

So wäre die Fokussierung auf Dietmar Hopp als personifiziertes Übel des modernen Fußballs einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

Vielfach wurde in den vergangenen Tagen bereits darauf hingewiesen, dass etwa die rassistischen Beleidigungen, die Schalker Zuschauer dem Hertha-Profi Jordan Torunarigha am 4. Februar ins Ohr schrieen, nicht zu einem Spielabbruch führten. Ebenfalls im Februar zeigten Fans des VfB Stuttgart ein großes Transparent mit der beleidigend gemeinten Aufschrift »Homos« in ihrer Kurve. Dresdner Fans bedienten sich vor kurzem zum wiederholten Male ­zutiefst frauenfeindlicher Sprache auf Spruchbändern beim Spiel ­gegen den FC St. Pauli. Ebenso endlos, wie diese Liste weiterzuführen wäre, war bisher allerdings die Geduld der Fußballverbände in Sachen Rassismus, Sexismus und Homophobie.

Die eigentlich relevanten Fragen verschwinden in diesem Streit zusehends. So wäre die Fokussierung auf Dietmar Hopp als personifiziertes Übel des modernen Fußballs mindestens einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Die daraus sprechende verkürzte Kritik des selbstverständlich auch den Fußball bestimmenden Kapitalverhältnisses sowie die unreflektierte Aneignung der Tradition des Volkssports Fußball durch einen Gutteil der aktiven Fußballfanszene verdient die Aufmerksamkeit, die nun die Abwehr der Angriffe der Fußballautoritäten einnimmt. Selbst der Sexismus in der Titulierung Hopps als »Hurensohn« gerät in den Hintergrund angesichts der Symbolfunktion, die der Begriff in der Auseinandersetzung erhalten hat.

Die »Red Fanatics München« sowie die »Schickeria München«, jeweils Ultra-Gruppen des FC Bayern, erklärten im Anschluss an das Spiel in Hoffenheim übereinstimmend, der Begriff sei nicht Teil ihrer üblichen Wortwahl. Man habe aber »bewusst dieselbe Beleidigung gewählt, die zur Verurteilung geführt hat«, wie die »Schickeria« ausführte, obwohl man sich »seit Jahren aktiv für eine diskriminierungsfreie Kurve, Stadt und Gesellschaft« einsetze. Ob sich das für eine bisweilen antisexistisch auftretende Ultra-Gruppe wie die »Schickeria« geziemt, darüber lässt sich streiten. Unstrittig sollte hin­gegen sein, dass den Fans des FC Bayern von Linken zur Seite zu stehen ist, weil ihr Kampf auch ein Kampf für dissidente Meinungen und basisdemokratische Organisierung im Fußballgeschäft ist. Und weil sie das Gespür für sanktionswürdige Dis­kriminierungen haben, das den Verantwortungsträgern derzeit offenbar abgeht.