Mauricio Macri verliert die Kontrolle über den argentinischen Club Boca Juniors

Bittere Niederlage für Macri

Mauricio Macri hat den Machtkampf beim wichtigsten argentinischen Fußballverein, Boca Juniors, verloren – und damit kaum noch Chancen auf nennenswerten politischen Einfluss.

Zwei Tage vor seinem Abschied aus dem höchsten Staatsamt verlor ­Argentiniens Präsident Mauricio Macri die Kontrolle über Boca Juniors, Argentiniens populärsten Fußballverein. Lange war er Präsident des in der Hauptstadt Buenos Aires ansässigen Clubs gewesen, das Amt hatte ihm auch zur Vorbereitung seiner Karriere in der Politik gedient. Eine entscheidende Rolle für sein Ausscheiden spielte nun ein ehemaliger Spieler des Vereins, der mit ihm noch eine Rechnung offen hatte.

Der Aufstieg Macris ins höchste argentinische Staatsamt war
eng mit seiner Rolle bei Boca Juniors verbunden.

Wie sehr ihn die Niederlage seines favorisierten Kandidaten bei der Vorstandswahl des Vereins wurmte, ließ Macri sich nicht anmerken. »Es gab viele, die zu mir gehalten haben, als ich Präsident war. Jetzt müssen wir uns um den Verein kümmern, weil er sehr gut ist. Manchmal ­gewinnen wir, manchmal verlieren wir «, sagte Macri nach der Wahl. »Aber wenn wir so weitermachen wie während meiner Präsidentschaft, wird es uns gutgehen.«

Der Aufstieg Macris ins höchste Staatsamt war eng mit seiner Rolle bei Boca verbunden. Von 1995 bis 2007 amtierte er als Präsident des Clubs. 2007 wurde er zum Bürgermeister von Buenos Aires, 2015 zum argentinischen Präsidenten gewählt. Aber auch nachdem er längst in der Politik tätig geworden war, behielt Macri seinen Einfluss auf die Führung bei Boca. 24 Jahre nach seiner Wahl zum Präsidenten des Vereins, just zu der Zeit, da er den Präsidentenpalast verlässt, verliert Macri auch die Kontrolle über den Club.

Daniel Angelici, seit 2011 Präsident von Boca, war immer ein treuer ­Gefährte Macris. Angelici war mehr als ein Vereinspräsident. Im Namen Macris besuchte er Richter und Staatsanwälte, um Fragen zu klären, die als heikel galten. Seine Gegner halten ihn für einen mächtigen Mann, der in der Lage ist, alles zu erreichen, was er sich vornimmt. Macris Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen vom 27. Oktober vorigen Jahres beschädigte dieses Bild.

Sein Club war bereits seit einiger Zeit nicht besonders erfolgreich. ­Wenige Wochen vor den Wahlen schied Boca im Halbfinale der Copa Libertadores (CL), dem wichtigsten südamerikanischen Fußballturnier, gegen den ebenfalls in Buenos Aires ansässigen Club River Plate aus. Im Dezember 2018 hatte der Verein ­bereits das CL-Finale in Madrid gegen seinen Erzrivalen verloren. Diese Niederlage besiegelte in gewisser Weise Macris Schicksal bei Boca, denn sie hatte zur Folge, dass der ehemalige Boca-Star Juan Román Riquelme als Funktionär zu dem Verein zurückkehrte.

Wenige Figuren verehren die Boca-Fans so sehr wie Riquelme. Er spielte von 1996 bis 2002 und von 2008 bis 2014 für den Club. »Mein Sohn gab den Anstoß, als er mir sagte, ich müsse nach dem Finale, das wir in Madrid verloren hatten, wieder in den Club ­zurückkehren. Ich habe viel darüber nachgedacht und freue mich über die Entscheidung, die ich getroffen habe. Es ist Zeit, zurückzukommen – oder zu versuchen, zurückzukommen. Dies ist der Moment«, so Riquelme vor der Vorstandswahl bei Boca am 8. Dezember.

Bei dieser kandidierte Riquelme zusammen mit Jorge Ameal, einem ehemaligen Vertrauten Macris, und Mario Pergolino, einem argentinischen Fernsehmoderator, für den Vorstand. Sie erhielten 52,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die von Macris Favorit Christian Gribaudo angeführte Liste erhielt 30,6 Prozent. Eine dritte Liste kam auf 16 Prozent der Stimmen. Angelici hatte nicht nochmal antreten dürfen und deshalb Gribaudo ins Rennen geschickt. Bei der Wahl stimmten nach Angaben des Vereins 38 363 der 200 000 Club­mitglieder ab, mehr als jemals zuvor.

Für Riquelme ist der Sieg eine süße Revanche. Angelici war es, der 2014 ein Ende seiner aktiven Fuß­ballerkarriere im Trikot von Boca verhinderte. Die Boca-Fans erinnern sich immer noch an Riquelmes Tor gegen River im Jahr 2001 und den Gruß mit den Händen hinter den Ohren, den er Macri auf der Tribüne widmete. Neun Jahre später löste die Entscheidung des damaligen Vereinspräsidenten Ameal, den Vertrag des Spielers um weitere vier Spielzeiten zu verlängern, den Rücktritt ­Angelicis als Schatzmeister aus, da er mit der Höhe der Vertragssumme nicht einverstanden war. Nach Angelicis Wiederwahl zum Präsidenten von Boca im Jahr 2015 beschuldigte Riquelme Macris Vertrauten, das ­Ergebnis »trotz vier Jahren sehr schlechten Managements gekauft« zu haben.

 

Während des Wahlkampfs wurde Riquelme selbst von unerwarteter Seite kritisiert. Ein anderes Vereins­idol, Diego Armando Maradona, ­ergriff überraschend Partei gegen Ameal, Riquelme und Pergolino. »Ich sage den Fans von Boca, dass dieser Sprecher (Pergolino, Anm. d. Red.) und dieses Fußballidol (Riquelme, Anm. d. Red.) nichts von Politik verstehen und null Ahnung von Management haben. Und obendrein unterstützen sie auch noch den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte des Clubs (Ameal, Anm. d. Red.)«, so Maradona auf Instagram. »Sie haben kein fußballerisches Projekt und weniger Steuerungsvermögen als der Kapitän der Titanic.« Ein so großer Verein wie Boca könne nicht geführt werden wie eine Spieler­umkleide. Maradona hatte von 1981 bis 1982 und von 1995 bis 1997 für Boca gespielt.

Für Macri ist die Niederlage seines Lagers bei den Vereinswahlen ein großer Rückschlag. Ein Sieg seines Kandidaten hätte ihm größere ­öffentliche Aufmerksamkeit und eine politische Machtbasis als Oppositionsführer gegen die amtierende ­Regierung des Peronisten Alberto Fernández geboten. Stattdessen dürfte Horacio Rodríguez Larreta, der 2015 die Nachfolge Macris als Bürgermeister von Buenos Aires antrat und im Oktober vorigen Jahres wiedergewählt wurde, die Rolle als wichtigster Oppositionsführer zukommen.

Riquelme wird voraussichtlich eine wichtige Rolle bei Boca spielen. Der 41jährige wurde zum Vizepräsidenten des Vereins gewählt. »Diesen Triumph in dieser Größenordnung verdanken wir sicherlich Román (Riquelme, Anm. d. Red.)«, sagte Ameal nach der Wahl. Er wurde zum neuen Vereinspräsidenten gewählt. Er versprach, Riquelme werde über alle sportlichen Belange von Boca entscheiden, vom Profikader über die Nachwuchsteams bis zur Frauenmannschaft.

Über Riquelmes Pläne ist allerdings noch nichts bekannt. Ameal kündigte derweil an, der derzeitige Boca-Trainer Gustavo Alfaro werde nicht im Amt bleiben. Riquelme werde einen Nachfolger bestimmen. Als Favorit gilt Miguel Ángel Russo, der 2007 mit Boca die CL gewann. Auch José Pekerman, von 2012 bis 2018 Trainer der kolumbianischen Nationalmannschaft, soll im engeren Kandidatenkreis sein. Und was Verstärkungen für die Mannschaft angeht, fällt immer wieder der Name des Stürmers Paolo Guerrero. Er spielte früher beim FC Bayern München und beim Hamburger SV. Derzeit steht er in Brasilien bei Internacional Porto Alegre unter Vertrag.

Riquelme, der 2015 als Spieler von Argentinos Juniors seine Karriere ­beendete, hätte am 12. Dezember vorigen Jahres sein Abschiedsspiel in Bocas Stadion La Bombonera bestreiten sollen. Am 12. Dezember findet das alljährliche Fan- Fest des Vereins statt. Das Spiel wurde wegen Riquelmes Teilnahme an den Wahlen ausgesetzt. Seine Geschichte bei Boca ist noch nicht vorbei.