Auch die jüngste Klimakonferenz in Madrid hat versagt

Geschenkt statt gesenkt

Die Madrider Klimakonferenz sollte Maßnahmen beschließen, um den Ausstoß von Treibhausgasen weltweit zu reduzieren. Sie hat versagt.

In Zeiten rechtspopulistischer Regierungen bekommt das Ritual der Weltklimagipfel etwas Surreales. Der Rhythmus, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse zum Zusammenbruch des globalen Klimasystems veröffentlicht werden, beschleunigt sich. Doch bei der 25. Weltklimakonferenz (COP25) vom 2. bis 15. Dezember in den Sälen des Kongress­zentrums am Madrider Flughafen Barajas wurde über juristische und wirtschaftswissenschaftliche Details gestritten anstatt darüber, wie der Ausstoß von Treibhausgasen schnell und radi­kal reduziert werden kann, um zu verhindern, dass die Erde in absehbarer Zeit für einen großen Teil der Weltbevölkerung unbewohnbar wird.

Eine halbe Million Menschen, die im Durchschnitt ein Drittel so alt gewesen sein dürften wie die Konferenzteilnehmer, protestierte auf den Straßen von Madrid. Die Schüler und Schülerinnen hätten die Erkenntnisse der Wissenschaft im Gegensatz zu den meisten Delegierten verstanden, lautete ihre Botschaft.

Diejenigen, die in den am stärksten von der Erderwärmung betroffenen Gebieten der Südhalbkugel oder in Küstengebieten leben, mussten schon erleben, wie bedrohliche Wetterphänomene immer häufiger werden und sich die Grundlagen des Überlebens ganzer Bevölkerungsgruppen auflösen.

Einige neue Erkenntnisse brachten die beiden Wochen der Klimakonferenz: Das Packeis in der Arktis, das Sonnenstrahlung reflektiert und so die Meere in dieser für das Weltklima entscheidenden Zone vor Aufwärmung schützt, hatte im September 2019 die zweitniedrigste Ausdehnung seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Temperaturen lagen dort 1,9 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel. Überall ist der Klima­wandel messbar. Die World Meteorological Association berichtete jüngst, dass die globale Durchschnittstemperatur seit dem Ende des 19. Jahrhunderts um 1,1 Grad Celsius gestiegen sei. Um das vor vier Jahren im Pariser Klimaabkommen beschlossene Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf durchschnittlich 1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu erreichen, müssten die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen innerhalb der nächsten zehn Jahre um 7,6 Prozent im Jahr sinken. Tatsächlich sind sie seit 2015 um vier Prozent gestiegen.

Immerhin war der Anstieg 2019 mit 0,6 Prozent der niedrigste seit der Rezession 2008/2009, als die weltweiten Emissionen infolge der Finanzkrise sogar etwas zurückgingen. Das ändert aber nichts daran, dass die Menschheit 2019 abermals einen neuen Rekord im Schadstoffausstoß setzen wird. »Noch ein verlorenes Jahr, noch ein verlorenes Jahrzehnt«, kommentierte Rob Jackson, ein Umweltwissenschaftler an der Universität Stanford und der Leiter des Global Carbon Project, in der Washington Post. »Es ist einfach nicht genug. In der Zukunft wird man fragen: Was habt ihr getan?«

China, Indien und Brasilien verlangten, auf verschiedenen Emissionsmärkten handeln zu dürfen, um dieselben Emissionsrechte sowohl zu verkaufen als auch selbst zu nutzen.

Die Regierungen diskutierten auf der COP25 vor allem zwei große Themen: zum einen den in Artikel sechs des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten weltweiten Handel mit CO2-Zertifikaten. Er erlaubt Industriestaaten, anstatt ihren Ausstoß von Treibhausgasen zu senken, Emissionsrechtsscheine von Ländern zu erwerben, die über sogenannte Kohlenstoffsenken verfügen, Waldgebiete etwa, in denen Kohlenstoffdioxid langfristig gebunden und so aus der Atmosphäre ferngehalten wird. Auch der Aufbau nachhaltiger Energieerzeugung, etwa aus Wind oder Sonne, kann mit Emissionsrechten belohnt werden.

In Madrid verlangten die Schwellenländer China, Indien und – als Wortführer – Brasilien, auf verschiedenen Emissionsmärkten handeln zu dürfen, um dieselben Emissionsrechte sowohl zu verkaufen als auch selbst zu nutzen. Damit könnten diese Länder weiterhin jede Menge Treibhausgase produzieren – zusammen sind sie immerhin für etwa 37 Prozent der weltweiten Emissi­onen verantwortlich – und zugleich die als Anreiz für eine umweltfreundliche Energieproduktion gedachten Mittel aus den Emissionsmärkten kassieren. Die EU und die Staaten der von ihr geführten sogenannten High ­Ambition Coalition sehen den Zertifikatehandel als vielversprechend an, sind aber nicht bereit, dem Druck der Allianz der Schwellenländer nachzugeben.