Die Cocolumne über bewegte Uhren

Bewegte Zeiten

Kolumne Von

Vielleicht kennen Sie das: Man denkt zuweilen, die Zeit sei stehengeblieben. Doch dann ist es nur die Uhr, die stehengeblieben ist. Bei batteriebetriebenen Modellen ist klar, woran es liegt, bei einer Automatikuhr, bei der die Feder durch die Armbewegung aufgezogen wird, aber auch: an Ihnen. Sie haben sie nicht oft genug getragen. Die sogenannte Automatikuhr ist nämlich ganz und gar nicht automatisch, sondern muss im Gegenteil permanent von Ihnen angetrieben werden. Automatikuhren sind richtig teuer. Nix Strom, nix CO2, wie zu Großvaters Zeiten – also voll modern.

Allerdings hat man ja mehrere davon, weil man sie als Schmuck passend zur Kleidung trägt, die Uhrzeit steht eh auf dem Handy. Wenn Sie Ihre ganzen ­teuren Uhren nun aber nicht alle regelmäßig tragen, bleiben sie stehen. Deshalb gibt es Uhrenbeweger – überteuerte Kästchen, die Ihre Uhr, während sie herumliegt, langsam rotieren lassen. Das funktioniert mit Strom. So gesehen könnten Sie auch gleich eine Uhr mit Batterie nehmen, aber das wäre nicht so cool. Jedenfalls zeigt sich in der Erfindung des Uhrenbewegers die ganze Absur­dität kapitalistischen Wirtschaftens.

Es ist wie beim Hund. Sie schaffen sich einen an, um mehr Action zu haben, dann braucht aber der Hund mehr Action als Sie und Sie beauftragen einen Hundesitter. Für Ihre Automatikuhr brauchen Sie nun einen Uhrensitter. Es gibt auch akkubetriebene Uhrenbeweger, die Sie also immer aufladen müssen, damit diese Ihre Uhr aufladen. Gewiss wird sich auch noch eine Tätigkeit finden, mit der das Akkulade­gerät beschäftigt werden kann.

Richtig zu Ende ­gedacht ist die Sache aber erst, wenn Sie den Strom zum Aufladen des Uhren­bewegers durch Armbewegungen er­zeugen, die Sie beim Nichttragen der Uhr eingespart haben. Das nennt man dann Kreislaufwirtschaft und rettet das Klima. Geht auch mit Tauschwirtschaft: Menschen, die sich keine Uhr leisten können, tragen die Uhren derer, die zu viele haben, um sie regelmäßig tragen zu können – so ist beiden Seiten gedient. Oder doch ganz klassisch, vermittelt durch Geld: Uhren­beweger wird zum Beruf und die Gewerkschaft der Uhren­beweger fordert dann irgendwann mehr ­Urlaub.

Coco braucht zum Glück gar keine Uhr. Sie kennt die exakte Zeit auch so. Pünktlich um 17.40 Uhr steht die kleine Beamtin bereit, ihr Fressen entgegenzunehmen. Um Punkt 22.30 Uhr reckt und streckt sie sich und steht von ihrem Abendschläfchen auf, um zu trinken, um 22.45 Uhr möchte sie dann Gassi gehen und so weiter und so fort. Als Hundehalter brauchen Sie also gar keine Uhr und erst recht keine, die auch noch von Ihnen bewegt werden will. Oder anders ausgedrückt: Sie haben bereits eine Uhr, die von Ihnen bewegt werden will. Das Problem mit der Zeit ist am Ende doch größer als der Kapitalismus.