»Die Gleichschaltung der Erinnerung« von Eike Geisel

Sprachgewandt und unerbittlich

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Eike Geisel hat in zahlreichen Artikeln und Vorträgen immer wieder den Antisemitismus und das Verhältnis der Deutschen zu den Juden analysiert. 2015 erschien der Band »Die Wiedergutwerdung der Deutschen«, der die Arbeiten enthielt, mit denen Geisel die geschichtspolitischen Anmaßungen der sogenannten Berliner Republik angriff.

Nun veröffentlicht Edition Tiamat mit »Die Gleichschaltung der Erinnerung« einen zweiten Band, in dem auch frühere Schriften Geisels enthalten sind. So findet man beispielsweise seinen Text über den Bergen-Belsen-Prozess, in dem er versucht, aus den Berichten der US-amerika­nischen Militärregierung die wesentlichen psychischen Pathologien der Täter herauszuarbeiten. Ebenso findet sich ein längeres Interview mit der KZ-Überlebenden Hannah Lévy-Hass, deren »Tagebuch aus dem KZ Bergen-­Belsen« Geisel übersetzt hatte. Auch die Texte des nun erschienenen Bands erweisen Geisel als so sprachgewandten wie unerbittlichen Feind der Vereinnahmung der Opfer durch die Täter, sprich: der deutschen Projektionen auf die Juden.

Der Sammelband mit Texten aus den Jahren 1978 bis 1995 zeigt die ungebrochene Kontinuität völkischen und antisemitischen Denkens in Deutschland eindrücklich. Nicht selten sorgten Geisels Texte für große Debatten, gerade auch wenn er die Linke kritisierte. Auch ihr wirft Geisel die Verbundenheit zu Heimat und Scholle vor, auf die jüngst Thomas Ebermann wieder hinweist. Dass Geisel manchmal über das Ziel hinausschoss, zeigt ein Fund aus dem Nachlass. Der Vortrag »Hannah Arendt und die Menschenrechte«, den Geisel kurz vor seinem Tod gehalten hat, hantiert ­allzu locker mit dem Auschwitz-Vergleich. Und doch wünscht man sich jemanden, der heutzutage solche »Kommentare zur Zeit« abgeben könnte.

Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung.
Kommentare zur Zeit.
Edition ­Tiamat, Berlin 2019, 488 Seiten, 26 Euro