Streiks und Proteste gegen die geplante Rentenreform in Frankreich

Blackout im Palast

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Am Donnerstag voriger Woche führte in Paris ein Demonstrationszug vom Ostbahnhof zum Place de la Nation im Südosten der Stadt. Die Polizei sprach von 65 000 Teilnehmenden, die CGT von 250 000. Landesweit wurde in etwa 250 Städten wurde landesweit protestiert. Am Abend sprach das Innenministerium von 806 000, die CGT von anderthalb Millionen Protestierenden. Das französische Publikum ist es gewohnt, dass die Zahlen der ­einen Seite unter-, die der anderen Seite übertrieben sind. Die Millionengrenze an Demonstrierenden dürfte aber bereits am ersten Tag der Proteste gegen die Rentenreform überschritten worden sein. Das ist eine ungewöhnlich hohe Zahl. Florian Bachelier, ein Abgeordneter der regierenden Partei La République en Marche und einer der Vizepräsidenten der französischen Nationalversammlung, räumte am späten Abend in einer Fernsehdebatte ein, eine Million Menschen seien es wohl gewesen.

Streikende Feuerwehrleute mit glitzernden Helmen bahnten sich bei der Demonstration in Paris einen Weg durch die Menge, ihnen wurde applaudiert. Einige Feuerwehrleute tanzten auf einem Gitter im Dachgeschoss eines mehrstöckigen Wohngebäudes am Boulevard Maganta. Krankenhausbeschäftigte trugen weiße Blusen und Atemschutzmasken. Die CGT, die stärkste Kraft in der Streikbewegung, und die linken SUD-Basisgewerkschaften hatten besonders gut mobilisiert. Es gab zudem einen großen Block vor den offiziellen Gewerkschaftsblöcken, in dem unter anderem Linksradikale demonstrierten. Vermummte waren jedoch anders als bei vielen Demonstrationen der sogenannten Gelbwesten eine Minderheit. Sachschäden gab es kaum.

Innenminister Christophe Castaner hatte am Vortag verkündet, für Polizisten würde es eine Sonderregelung ­geben, die ihre Rentenansprüche bewahre – während alle anderen Sonderregelungen, sofern sie günstiger ausfallen als die gesetzliche Rente, abgeschafft werden sollen. Offenbar ging es der Regierung nicht zuletzt darum, die Polizisten zu beruhigen, nachdem auch Polizeigewerkschaften und Personalvertreter zuvor eine Beteiligung an den Protesten in Aussicht gestellt hatten. Die Personalvertreter der gerichtsmedizinischen Labore der Polizei etwa hatten ihre Beteiligung an der Demonstration angekündigt.

Bei dieser waren allein in Paris 6 000 Polizisten und Gendarmen im Einsatz – im gesamten Land sollten den ursprünglichen Plänen der Regierung zufolge etwa 75 000 Polizisten, die Hälfte des vorhandenen Personals, bereitstehen. Nach Angaben der Zeitschrift Marianne waren 55 von 120 bis 130 Großverbänden der Polizei im Einsatz.

Die Streiks sollen fortgesetzt werden. In den Raffinerien wurde, etwa im Raum Marseille, am Freitag eine Fortführung des Arbeitskampfs beschlossen. An diesem Tag befanden sich Beschäftigte von sieben der acht Raffinerien in Frankreich im Streik. Neue zentrale Aktionstage mit Streiks und Demonstrationen wurden von der ­Intersyndicale, einem Zusammenschluss mehrerer Gewerkschaftsverbände – unter ihnen die CGT, SUD und Force Ouvrière –, für diese Woche geplant.

Ein erster Erfolg der Proteste ist, dass die Regierung ihre Rentenreformpläne nun öffentlich machen will. ­Ursprünglich sollte dies nur Schritt für Schritt über Monate hinweg geschehen. Premierminister Edouard Philippe soll bereits in dieser Woche Einzel­heiten bekanntgeben.