Grüne streiten über Homöopathie

Zwist um Zuckerkugeln

Eigentlich haben sich die Grünen das Streiten abgewöhnt. Aber nun ist in der Partei ein Glaubenskrieg ausgebrochen: Wie hält man's mit der Homöopathie?

Mit Parteitagen in Bielefeld haben die Grünen nicht nur gute Erfahrungen gemacht. 20 Jahre ist es her, dass Samira Fansa dort den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer wegen dessen Zustimmung zum Bundeswehreinsatz gegen Jugoslawien mit einem Farbei bewarf. Mitte November könnte die Bielefelder Stadthalle erneut zum Ort einer heftigen innerparteilichen Kontroverse werden. Wie im Jahr 1999 geht es um auch auf diesem Parteitag um etwas Grundsätzliches. Zwar steht nicht Krieg oder Frieden zur Diskussion, aber eine Schwachstelle der Partei: die Neigung zur Esoterik.

Angst vor Wissenschaft und Technik ist bei den Grünen weit verbreitet. In diesem Milieu gehört es zum Lifestyle, homöopathische Produkte zu schlucken.

Grüne und ihre Wähler schicken ihre Kinder gerne auf Waldorf-Schulen; die einen, weil ihnen die Namen Rudolf und Steiner immer noch lieber sind als Mehmet und Ayşe; die anderen, weil sie auch Esoterik und »spirituell-dynamisch orientierte Chemie« schätzen. Technischen Innovationen stehen viele Anhänger der Grünen skeptisch gegenüber. Sprachbilder wie »Mutter Erde« sind beliebt, keine andere Partei betrachtet die Pharmaindustrie und medizinische Wissenschaft so skeptisch.

Medizin wird gern als »Schulmedizin« bezeichnet, an deren Seite eine »Komplementärmedizin« gestellt werden soll, die mit Wissenschaft nichts zu tun hat. In diesem Milieu wird gern gefühlt, geglaubt und dann auch noch erwartet, dass so etwas ernst genommen wird. Manche Politikerinnen und Politiker der Grünen, wie etwa Barbara Steffens, die erste grüne Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, warben sogar für Homöopathie.

Und nun das: »Wir treten für eine wissenschaftlich fundierte, faktenbasierte und solidarisch finanzierte medizinische Versorgung für alle ein. Die Finanzierung von nachweislich nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksamen Behandlungsmethoden ist mit diesem Grundsatz unvereinbar.« Diese Sätze stehen in einem Antrag an den Bundesparteitag der Grünen. Die Grünen sollen sich gegen die Homöopathie stellen – Skandal um Globuli!

Gleich mehrere Anträge zum Thema finden sich auf der Website des Parteitags. Der bereits zitierte Antrag fordert, dass Homöopathie nicht mehr von Krankenkassen bezahlt wird. Homöopathie gehört hierzulande zwar nicht zum gesetzlichen Leistungskatalog der Krankenkassen, viele Kassen erstatten aber die Kosten homöopathischer Mittel, weil ihre Versicherten die Leistung nachfragen.

Ein weiterer Antrag fordert im »Sinne einer ökologischen, nachhaltigen, patientenzentrierten Medizin« und zur »Stärkung des ›Grünen Standpunktes‹ Naturheilmedizin«, dass die Krankenkassen auch weiterhin den Konsum der Zuckerkügelchen finanzieren.