Die Immobilienwirtschaft ist empört über den Berliner »Mietendeckel«

Furien des Privatinteresses

Die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin hat einen Gesetzentwurf für einen »Mietendeckel« beschlossen, um dem Anstieg der Mietpreise Einhalt zu gebieten. Das Immobilienkapital ist empört.

Jetzt ist er da, der »Mietendeckel«. Die Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei in Berlin einigte sich am Dienstag voriger Woche nach monatelangem Ringen auf einen entsprechenden Gesetzentwurf. Für fünf Jahre sollen die Mieten eingefroren und unter bestimmten Bedingungen auch gesenkt werden.

Angesichts des Schlachtrufs der Mietendeckelgegner, »Bauen, bauen, bauen«, möchte man fragen: Wieso habt ihr Privaten bisher, also ohne Mietendeckel, denn nicht gebaut?

Bereits vorher meldeten sich die Immobilienwirtschaft und ihr Nahestehende zu Wort und taten, was sie tun mussten: ihre Interessen vertreten. Niemand würde noch in Neubau investieren, wenn der Entwurf Gesetz werde, hieß es da. Im Berliner Baugewerbe würden zehn Prozent der Beschäftigten arbeitslos, der Wirtschaftsstandort würde stark gefährdet, auch von einem Verlust von Vertrauen in den Rechtsstaat war die Rede. Die Bedienung von Krediten, die für den Wohnungskauf aufgenommen wurden, würde gefährdet; die private Altersvorsorge vieler »kleiner« Vermieter ebenso. Mitunter wurde beklagt, besserverdienende Mieter und Mieterinnen würden unlauter profitieren. Es drohe sogar ein Zusammenbruch des Berliner Wohnungsmarktes, unter dem die wirtschaftlich Schwächsten am meisten zu leiden hätten. Noch bevor überhaupt ein Gesetzentwurf beschlossen war, wusste mancher Kommentator, dass das Berliner Stadtentwicklungsressort die Hauptstadt in Barbarei und Bankrott führen würde.

Nun, da der Entwurf vorliegt und es ganz danach aussieht, als bekämen die Mieterinnen und Mieter in Berlin eine Verschnaufpause, verstärken die Immobilienwirtschaft und ihre Anhänger noch einmal ihre Propaganda. Der Immobilienverband Deutschland (IVD) warnt vor einer Rückkehr zur »sozialistischen Wohnungsbaupolitik«, die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus vor einer »Einführung der Planwirtschaft« und der Interessenverband der Haus- und Grundbesitzer in Deutschland nennt den Mietendeckel gar einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, da er Vermieter enteigne. Drunter, so hat man den Eindruck, geht es nicht.

Seit Beginn der öffentlichen Diskussion über einen Mietendeckel strömen »die Furien des Privatinteresses« auf den »Kampfplatz« (Marx). Da sich der bloße Hinweis auf den Verlust der eigenen, ziemlich unverschämten Vorteile nicht so gut macht, wird der Untergang Berlins beschworen, wobei es auf die Schlüssigkeit der Argumente nicht ankommt.