Proteste gegen eine Goldmine in der Türkei

Aufstand in den Gänsebergen

In der türkischen Provinz Çanakkale protestieren Umweltschützer gegen eine geplante Goldmine. Sie befürchten in der für Bioprodukte und erlesene Lebensmittel bekannten Region schlimme Auswirkungen auf die Umwelt. Hunderttausende Bäume wurden bereits für die Minenbaustelle gerodet.

»Bis ihr nicht aus unserem Wald verschwunden seid, werden wir auch nicht gehen«, singen die Demonstrantinnen und Demonstranten und wiegen sich im Takt. An diesem Tag sind es nur etwa 30, die vor dem großen Tor der Minenbaustelle protestieren. 5 000 Hektar Wald wurden im Sommer im Ida-Gebirge an der türkischen Ägäis gerodet, um Goldvorräte nahe des Dorfes Kirazlı zu schürfen. 

Vier junge Männer mit Helm und Sicherheitswesten stehen mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck hinter dem Stacheldrahtzaun. Das Sicher­heits­personal des internationalen Konsortiums der kanadischen Firma Alamos Gold und des türkischen Unternehmens Doğu Biga Madencilik Sanayi ve Ticaret A.Ş. hat die Aufgabe, die Demonstrierenden nicht auf das Minengelände zu lassen. Diese kommen täglich und warnen vor den Gefahren der Mine für die Umwelt. Im Sommer fanden Massenproteste statt, nachdem im Juli bekannt geworden war, dass nicht wie in den Umweltverträglichkeitsauflagen vorgeschrieben 45 000, sondern 195 000 Bäume auf dem Gelände gefällt worden waren.

Rebiye Ünüvar ist gegen die Mine.

Bild:
Sabine Küper-Büsch

Ege Ulutak hat Mineningenieurswesen studiert, in diesem Beruf hat er jedoch nie gearbeitet. »Ich wohne seit drei Jahren in dieser Gegend und betreibe Landwirtschaft«, sagt der Mann Anfang 30. Er gehört zu einer Reihe junger Städter, die aus den Metropolen auf das Land gezogen sind, weil sie eine politische Mission verfolgen. »Wir wollen hier nicht nur die Bäume retten«, fährt Ulutak fort, »es geht darum, ein Modell aufzubauen, damit die Leute ihren Lebensunterhalt mit der Produktion gesunder Lebensmittel verdienen können. Wir müssen den Transport der Agrarprodukte in die Städte organisieren. Das Ziel muss sein, dass die Bauern finanziell unabhängig von dieser Mine werden.« Denn viele verdienen sich dort etwas dazu, wenn die Landwirtschaft nicht für den Lebensunterhalt reicht.

Ulutak wohnt im Kreis Bayramiç, etwa 70 Kilometer von der Minenbaustelle entfernt. Als Mineningenieur weiß er genau Bescheid über die Risiken des auf Zyanidbasis geplanten Edelmetallabbaus. Eigentlich arbeitet er gerade an einem landwirtschaftlichen Projekt, in dem sich die Bauern eines Dorfes organisieren sollen, um Bioprodukte nach Istanbul und Izmir zu verkaufen. Doch seit dem Sommer verbringt er mehr Zeit damit, vor der Mine über die drohenden Folgen des Goldabbaus aufzuklären. »Stellen Sie sich eine Grube mit einer Seitenlänge von jeweils 900 Metern vor«, sagt er laut vor der Runde der Demonstrierenden und zeigt auf das Gelände. »Sie werden von dort Gestein ausheben. Dann übernehmen zwei Steinbrecher. Der große bricht die Felsbrocken auf. Der andere zerkleinert sie auf Haselnussgröße. Das Gestein wird in einem Becken verteilt. Dann wird das Zyanid in einer Mischung aus Natriumzyanid und Wasser als Waschlauge eingesetzt. Es gibt keine Goldbrocken hier, sondern Goldkörnchen. Die werden mit dem Zyanid aus dem Gestein herausgelöst.« Die Gesichter der Demonstrierenden haben sich während des kurzen Vortrags verhärtet. Angewidert und entschlossen recken sie die Fäuste. »Dies ist erst der Anfang, unser Kampf geht weiter!« rufen sie.