Eine Amtsenthebung Trumps kann nur mit Stimmen der Republikaner ­gelingen

Nur ein kleiner Gefallen

Die Demokraten erwägen, ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump einzuleiten. Es geht um eine angeblichen Versuch, den ukrainischen Präsidenten Selenskij unter Druck zu setzen.

Fast ein Jahr lang zögerten die Demokraten. Nun ist es soweit. Am 24. September kündigte Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, eine Untersuchung zur Amtsenthebung von Präsident Donald Trump an – der erste Schritt in einem Impeachment-Verfahren. Auslöser war die Enthüllung eines Whistleblowers in der CIA. Demnach habe Trump seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj bei einem Telefonat unter Druck gesetzt, damit dieser eine Ermittlung gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter einleite. »Die Handlungen der Regierung Trump legten die unehrenhafte Tatsache an den Tag, dass er seinen Amtseid, unsere nationale Sicherheit und die Integrität unserer Wahlen verraten hat«, sagte Pelosi. Dabei hat sie monatelang versucht, den Eifer ihrer Fraktion zu bremsen. Das Telefonat zwischen Trump und Selenskyj fand am 25. Juli statt, also keinen Tag nachdem der Sonderermittler Robert Mueller bei einer Anhörung über die zahlreichen Kontakte zwischen dem Wahlkampfteam Trumps und Vertretern der russischen Regierung im Jahre 2016 ausgesagt hatte, die »sehr legal und sehr cool« waren, wie Trump es einst so treffend formulierte.

Es müssten 20 Republikaner die Seiten wechseln, was im Moment nur schwer vorstellbar ist, auch wenn noch so viele Beweise ans Licht kommen sollten.

Das Weiße Haus veröffentlichte am 25. September Notizen zu diesem Gespräch und sie zeichnen ein deutliches Bild. Nach einem kurzen, peinlichen Austausch gegenseitiger Lobhudeleien spricht Selenskyj vom Kauf von »Javelin«-Panzerabwehrraketen, die die Ukraine dringend benötige, um sich gegen russische Aggressionen zur Wehr zu setzen. Nun kommt Trump zur Sache: »Die Vereinigten Staaten haben der Ukraine immer sehr, sehr geholfen. Ich möchte, dass Sie uns einen Gefallen tun.« Bei dem Gefallen geht es um Joe Biden. Im Jahr 2014, als Biden noch Vizepräsident der USA war, wurde sein Sohn Hunter in den Vorstand des ukrainischen Energiekonzerns Burisma berufen. Eine Tatsache, die nicht nur Trump und sein Anwalt Rudolph Giuliani suspekt finden (siehe Seite 4). Es ist durchaus legitim zu fragen, wie und warum Hunter Biden zu diesem Posten gekommen ist.

Allerdings glaubt wohl niemand, dass Trump plötzlich zu ­einem Kämpfer gegen Vetternwirtschaft geworden ist. Er hätte eine Untersuchung ja wie sonst üblich auf dem Amtsweg beantragen können. Doch statt­dessen, so behaupten Vertreter der ukrainischen Regierung, wurde das Telefonat schon bei der Vereinbarung an die Bedingung geknüpft, kompromittierendes Material gegen Biden zu finden oder es einfach zu erfinden. Am 25. April hatte Biden seine Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2020 bekanntgegeben.

 

Der Whistleblower wirft der US-Regierung vor, der Ukraine 400 Millionen Dollar an Militärhilfe, die der Kongress bereits genehmigt hatte, bis auf weiteres vorzuenthalten. Der demokratische Kongressabgeordnete Adam Schiff aus Kalifornien sprach in diesem Zusammenhang von einer »typischen Mafiamethode«. Dennoch argumentiert der Juraprofessor Jonathan Turley von der Georgetown University, dass dem Protokoll des Telefonats ein entscheidendes Element fehle, nämlich das Versprechen eines klaren quid pro quo. Ob das für ein Amtsenthebungsverfahren allerdings wirklich notwendig ist, ist umstritten. Pelosi, die als Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus auch die Funktion einer Parteivorsitzenden ausübt, sagte der Presse, es sei schlimm genug, dass ein Präsident sein Amt derart missbrauche. Monatelang hatte sich Pelosi gegen ein Impeachment gestellt, doch nun ist der Druck zu groß geworden. Der Bericht des Whistleblowers, der am 26. September öffentlich wurde, lässt keine Zweifel. Selbst einige Republikaner schienen nach der Lektüre besorgt. Obwohl sich der Bericht ausschließlich auf Quellen aus zweiter Hand stützt, deutet er klar auf Erpressungsversuche hin.

Der Präsident macht sich, wie immer, kaum die Mühe, das alles zu dementieren. »Ist doch völlig egal, was ich gesagt habe«, sagte er am Freitag vergangener Woche im Oval Office bei einem Auftritt mit dem australischen Premierminister. »Jemand sollte wirklich Joe Biden untersuchen.«
Dennoch ist ein Amtsenthebungsverfahren riskant. Umfragen zufolge sind sich auch gegen Trump kritisch eingestellte US-Bürgerinnen und -Bürger in dieser Frage uneinig. Viele fürchten, dass ein solcher Prozess die Unterstützung für Trump nur weiter festigen könnte. Zwar hat die Republikanische Partei in den ersten 24 Stunden nach der Ankündigung der Ermittlung mehr als eine Million Dollar an Spendengeldern für Trumps Wiederwahl sammeln können, aber neue Fans wird der Präsident mit der Impeachment-Debatte wohl kaum gewinnen. Am Wochenende veröffentlichte er eine Serie wütender Twitter-Botschaften und ein Video, in dem er den Whistleblower und dessen Informanten scharf angreift. Deren Verhalten grenze an Spionage. Das werde »große Konsequenzen« haben, schrieb er.

Die nächste Präsidentschaftswahl steht in knapp 14 Monaten an. Den ­Demokraten bleibt nicht viel Zeit. Nun hat Pelosi einige Komitees der Demokraten angewiesen, die Untersuchungen gegen Trump »unter einem Dach« zu bündeln. Noch scheint es, als wolle sie das Verfahren auf den Ukraine-Skandal begrenzen, denn hier haben es die Demokraten mit leicht verständlichen und vermittelbaren Sachverhalten wie Erpressung, Amtsmissbrauch und Gefährdung der nationalen Sicherheit zu tun. Weitere Schritte hat Pelosi noch nicht angekündigt. Zunächst müssen Fakten gesammelt werden, erst danach können dem Kongress Anklagepunkte vorgelegt werden. Diese kann das Repräsentantenhaus mit einer einfachen Mehrheit ­abnehmen. Doch eine Amtsenthebung erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Senat.

 

Spätestens dann wird es für die Demokraten knifflig, denn sie haben nur 47 der 100 Sitze im Oberhaus. Es müssten 20 Republikaner die Seiten wechseln, was derzeit nur schwer vorstellbar ist, auch wenn noch so viele Beweise ans Licht kommen sollten. Die Republikaner wittern in dem Impeachment-Verfahren ein Machtspiel der Opposition – eines, das leicht schiefgehen könnte. »Die Demokraten sind gerade dabei, den Präsidenten wiederzuwählen«, sagte die Republikanische Senatorin Martha McSally aus Arizona.

Doch man sollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Richard Nixon war kurz vor seinem Impeachment-Verfahren noch außerordentlich beliebt. Als dann jedoch im ersten Geschäftsquartal 1974, zu Beginn der Anhörungen, das Bruttosozialprodukt um 3,28 Prozent sank und die USA in eine Rezession rutschten, war es mit der Sympathie auf einmal vorbei. So ist es nicht überraschend, dass Donald Trump bei einer Pressekonferenz am 25. September vor allem die gute ökonomische Lage der USA beschwor. »Die Ölpreise sinken, wir haben genug Öl«, sagte Trump. »Diese Zahlen waren echt eine Überraschung.«

Was aber, wenn es auf einmal zu einer Überraschung der ganz anderen Art kommen sollte? Auf die Loyalität seiner Parteikollegen kann sich der Präsident nicht verlassen. Die Republikaner tolerieren ihn zwar, hinter vorgehaltener Hand lästern sie jedoch über ihn. Nur eines ist sicher: Politik wird in den kommenden Monaten kaum mehr gemacht werden. »Jede Chance auf Zusammenarbeit« hätten die Demokraten zunichte gemacht, sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham. Noch in dieser Woche sollen die ersten Zeugen im Kongress aussagen. Die Demokraten wollen, dass das Repräsentantenhaus möglichst noch vor Weihnachten darüber abstimmt, ob ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet wird. Medienberichten zufolge herrscht im Weißen Haus Panik, auf ein solches Verfahren ist niemand vorbereitet, und alle fürchten die Reaktion Trumps. Denn vermutlich wird das Verfahren den an sich schon konfusen Präsidenten in nächster Zeit zur Weißglut treiben. Es kann also heiter werden.