Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Frenzel

Eine ausgezeichnete Antisemitin

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Auf eine Nachfrage an die Ordenskanzlei im Februar dieses Jahres, wie es trotz des Bekanntseins von Frenzels NS-Aktivitäten zur Verleihung kommen konnte, hieß es: »Es ist davon auszugehen, dass der Inhalt der Dissertation von Elisabeth Frenzel zum Zeitpunkt der Verleihung hier nicht bekannt war.« Zwar werde bei allen vor 1927 geborenen Personen das politische Verhalten von 1933 bis 1945 geprüft, doch habe die Abfrage beim Berlin Document Center und beim Bundesarchiv keine ­belastenden Informationen über Elisabeth Frenzel, die ja kein NSDAP-Mitglied war, zutage gebracht. Der Artikel im Telegraf und die Arbeiten von Rolf Seeliger müssen übersehen oder ignoriert worden sein.

Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Elisabeth Frenzel wirkt heutzutage absurd. Es ihr ab­zuerkennen, scheint trotzdem nie gefordert worden zu sein, obwohl dies bei anderen Fällen bereits vorkam. Nun, nach Elisabeth Frenzels Tod 2014, ist eine Ordensentziehung grundsätzlich nicht mehr möglich, und noch heute stehen die Werke als »germanistische Grundausstattung« ohne kritischen Vermerk in den Bibliotheken.

Umgang mit dem Erbe

Elisabeth Frenzel starb nach ihrem Mann und hatte keine Kinder. Sie vererbte große Teile ihres Vermögens an mindestens zwei Institutionen: den Geschichtsverein der Stadt Torgau und die Göttinger Akademie der Wissenschaften. Torgau in Sachsen ist mit Elisabeth Frenzels Familiengeschichte verbunden, weshalb sie Objekte aus dem Familienbesitz zu Ausstellungszwecken spendete. Der Geschichtsverein der Stadt, in dem Frenzel Ehrenmitglied war, hat ihre Spenden positiv aufgenommen. Sie sei dem Verein vor allem durch ihr familienhistorisches Werk »Vergilbte Papiere« bekannt geworden. Auf Nachfrage hieß es, dass ihr Frühwerk aus der NS-Zeit für die Kooperation des Vereins mit Frenzel keine Rolle gespielt habe.

Anders sieht es bei der Akademie der Wissenschaften Göttingen aus, an der Frenzel von 1978 bis 2001 Mitglied der Kommission für literaturwissenschaftliche Motiv- und Themenforschung war. Der Akademie vererbte Elisabeth Frenzel über eine Million Euro. In einer Stellungnahme zum Nachlass kritisiert der Präsident Andreas Gardt 2014 ihre Arbeit in der NS-Zeit scharf und betonte, dass die Akademie nicht an der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes beteiligt gewesen sei. Das Geld wird heutzutage für ein Fellowship-Programm verwendet, mit dem ­Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein dreimonatiger Aufenthalt in Göttingen ermöglicht wird, um zu jüdischer Literatur- und Kultur­geschichte zu forschen.