Streetball wird olympisch

Wampen treffen Kanten

Seite 3 – Eigentore der Beherrschten

Die »Adidas Streetball Challenge« ist trotz des Erfolgs in der damaligen Form heutzutage nicht mehr denkbar. Im Bewusstsein, dass die Konsumenten smarter und subtiler betrogen werden wollen, hat sich das Eventmarketing gewandelt. Das Event, nicht die Marke, wird ins Zentrum gestellt, um eine weitgehend ihres ­Gebrauchswerts entledigte Ware zu emotionalisieren. Fernsehsender und Radiostationen, szenefremde Unternehmen wie die Deutsche Bahn und auch die Polizei sucht man auf dem »Shut up and play« vergeblich. Alles scheint aufs Wesentliche reduziert: Kickz, Adidas und Donovan Mitchell, ein aufstrebender NBA-Star, der bei Adidas unter Vertrag steht und eigens aus den USA eingeflogen wurde. Das Spektakel von damals ist einer raffinierten Dosierung von Spiel und Show gewichen.

Auf Nachfrage der Jungle World, wie man dem Streetball heutzutage helfen wolle, antwortete ein Adidas-Sprecher, das Unternehmen wolle »den Basketball in der Hauptstadt weiter fördern, indem wir in die Basketball-Infrastruktur der Stadt investieren, dabei aber auch nah am Spiel und der Community sind«. Die marketingtypische Aussage unterstreicht nur, was sie eigentlich verdecken soll. Diese Form des Streetball ist ein von der Internationalen Basketball Federation (FIBA) in einem 17 Artikel umfassenden Regelwerk fixierter und für den Konsum maßgeschneiderter Leistungssport und widerspricht dem Streetball, den seine Liebhaber von Harlem bis Prenzlauer Berg täglich praktizieren, diametral.

Auf den kritischen Sporttheoretiker Gerhard Vinnai geht das Bonmot zurück, die Tore auf dem Fußballfeld seien »die Eigentore der Be­herrsch­ten«. Angesichts der Instrumentalisierungsversuche durch einen pseudophilanthropischen Konzern verhält es sich beim Streetball womöglich ähnlich und die Dribblings beim »Shut up and play« sind die Ball­verluste derjenigen, die sich weder für die Olympischen Spiele qualifizieren noch von Adidas labeln lassen wollen. Auf die von Gabriel Kuhn in seinem Buch »Die Linke und der Sport« dokumentierte Diskussion anspielend, ließe sich auch resümieren, dass dieser professionell betriebene, rationalisierte und bürokratisierte Streetball in seiner Logik des Leistungsvergleichs die Arbeit un­ter kapitalistischen Verhältnissen verdoppelt, während das mehr oder weniger unreglementierte und zweckfreie Spiel auf dem Freiplatz vielleicht ein Vorschein des Besseren ist.