US-Rechtsterrorismus und Verschwörungstheorien

Von der Ideologie zum Attentat

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Yair Rosenberg, ein Autor des jüdischen Online-Magazins Tablet, hatte am Montag vergangener Woche als erster Journalist auf »die neuen Twitter-Accounts, die von white supremacists betrieben werden«, aufmerksam gemacht. Deren Urheber posierten als orthodo­xe oder linke Juden, die antisemitische und antiisraelische Tweets verbreiteten, und waren relativ leicht daran zu erkennen, dass sie einander folgten und retweeteten. Unter Hashtags wie #HumanRightsViolations und #JewishRacism stellten sie wüste Behauptungen auf, wie sie gern von Neonazis und Anhängern von Verschwörungstheorien verbreitet werden. Einer dieser Tweets lautete etwa: »Ich bin Jude und ich erlebe jeden Tag, wie sehr Juden Europäer hassen.« Des Weiteren fanden Behauptungen Verbreitung wie die von Louis Farrakhan, dem Anführer der antisemitischen Organisation Nation of Islam (NOI), der kolportierte, mehr als 70 Prozent aller Sklavenhändler seien Juden gewesen. Dies war bereits 1991 in dem von der NOI veröffentlichten Buch »The Secret Relationship Between Blacks and Jews« behauptet und dann von zahlreichen Historikern ­sowie vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama persönlich als Lüge entlarvt worden. Eine weitere in diesem Zusammenhang oft verbreitete Falschbehauptung lautet, Juden bezeichneten Schwarze grundsätzlich als »goyim trash« (nichtjüdischen ­Abfall).

Die Journalistin Avital Chizhik-Goldschmidt berichtete in der New York Times, Trolle hätten unter anderem ein Fake-Profil mit einem geklauten Bild ihres Ehemannes erstellt. Manche Antisemiten wollten, dass Juden um ihre körperliche Unversehrheit fürchteten, schrieb sie, »andere sind heimtückischer. Sie schlagen uns nicht, sondern versuchen, unsere ohnehin schon so ängstliche Gemeinschaft gegeneinander aufzuhetzen. Den Spaß sollten wir ihnen nicht gönnen.«

Fake-Accounts, die speziell angelegt wurden, um andere User in ihrem Glauben an Verschwörungstheorien zu bestärken, sind allerdings kein neues Phänomen. Sie wurden sowohl vom Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica in Wahlkampfzeiten als auch von der »Trollfabrik« der russischen Regierung gezielt benutzt, um Verwirrung zu stiften, Ängste und Hass auf Minderheiten zu schüren sowie diese gegeneinander auszuspielen.

Der Bericht des FBI geht davon aus, dass im allmählich beginnenden Präsidentschaftswahl Verschwörungstheorien vermehrt verbreitet werden – und dass deren Anhänger zahlreicher werden. Einer im Jahr 2014 veröffentlichten Untersuchung der Universität von Chicago zufolge, die zwischen 2006 und 2011 erfolgt war, glaubten damals bereits rund die Hälfte aller US-Amerikaner an mindestens eine Verschwörungstheorie.