Landtagswahl in Brandenburg

Das Ende einer kleinen DDR

Die Vorherrschaft der SPD in Brandenburg könnte bald zu Ende gehen. Selbst Ministerpräsident Dietmar Woidke befürchtet, dass die AfD die Landtagswahl gewinnt.

Mit dem Slogan »Wende 2.0« landet die AfD möglicherweise zum ersten Mal bei einer Landtagswahl ganz vorne. Umfragen zufolge könnte sie bei den Wahlen in Brandenburg auf 21 Prozent kommen, die CDU auf 18 Prozent, ­gefolgt von der SPD mit 17 Prozent, den Grünen mit 16 Prozent und der Linkspartei mit 14 Prozent.
Sollten die Brandenburger so wählen und niemand mit der AfD koalieren, würde die zweitstärkste Partei wohl den Ministerpräsidenten oder die Ministerpräsidentin stellen.

Dieser oder diese müsste ein Bündnis aus drei Parteien zusammenhalten, die sehr unterschiedliche Millieus und Inhalte vertreten. Offen ist, wer den Posten an der Spitze der Landesregierung einnehmen wird: der bisherige Amtsinhaber Dietmar Woidke (SPD), dessen Herausforderer Ingo Senftleben (CDU) oder Ursula Nonnemacher (Grüne)? Seit der Neugründung des Landes 1990 regierte in Brandenburg eine bis vor wenigen Jahren starke und selbstbewusste SPD. Unter den Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck konnte sie zwischen CDU und Linkspartei ­beziehungsweise PDS als Partnerin wählen. Nachdem sie 1994 an der Fünf­prozenthürde gescheitert waren, zogen Grüne und FDP erst 2009 wieder in den Landtag ein.

Programmatisch standen die SPD-Regierungen in Brandenburg für einen behutsamen Kurs der Transformation, der dem Land manchmal die Bezeichnung »Stolpes kleine DDR« einbrachte. Die Deindustrialisierung und der durch Haushaltsschwäche und Bevölkerungsrückgang begründete Abbau von ländlicher Infrastruktur stärkte nicht unbedingt die Sympathien für die Landesregierung. Akut geriet das politische System Brandenburgs jedoch in die Krise, als die AfD bei den Landtagswahlen 2014 aus dem Stand 12,2 Prozent erreichte, bei den Bundestagswahlen 2017 zweitstärkste und den Europawahlen im Mai dieses Jahres stärkste Partei wurde.

Linkspartei kaum präsent

Die SPD reagierte darauf hilflos und panisch. Nach der Bundestagswahl sagte Ministerpräsident Woidke eine umstrittene Verwaltungsreform ab, die die Landkreise neu gliedern sollte. Kurz vor der Europawahl kündigte er an, das Wissenschaftsministerium nach Cottbus zu verlegen, um die – durch rechte Umtriebe aufgefallene – Region aufzuwerten. Die CDU versucht, von dieser Krisensituation zu profitieren. Mit ihrer Wahlkampagne, die den Spitzenkandidaten Senftleben als volksnah inszeniert und immer wieder auf dessen Ausbildung und Tätigkeit als Bauarbeiter hinweist, versucht sie, Ressentiments gegen »die da in Potsdam« zu bedienen.

Senftleben bemüht sich, seiner Partei ein modernes Gesicht zu geben. Nach der Landtagswahl will er alle Parteimitglieder über einen etwaigen ­Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Immer mal wieder provozierte er die Bundes-CDU mit Aussagen zu einer möglichen Koalition mit der Linkspartei. Er spricht sich für eine aktive Sozialpolitik aus und schlug vor, die CDU-­Liste zur Landtagswahl paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen. Dieser Vorschlag scheiterte allerdings an den CDU-Kreisverbänden, die sich traditionell mehr um ihre eigenen Pfründe kümmern als um den Erfolg des Landesverbands und die häufig auch deutlich konservativer eingestellt sind als dieser.

Die Linkspartei ist derzeit politisch kaum präsent. Ihre einstige Stärke, zahlreiche gut organisierte Mitglieder, ist mit dem Altern dieser Genossen dahingeschwunden. Nach zehn Jahren in der Landesregierung, in denen es der Partei nicht gelang, ein Profil als Regierungspartei herauszubilden, ist sie auch inhaltlich am Ende. Alle drei Parteien starren nun ängstlich auf die AfD.

Grün statt Blau

Deren Spitzenkandidat Andreas Kalbitz, hatte in der Vergangenheit zahlreiche Kontakte zu extrem rechten Orga­nisationen. Der in München geborene ehemalige Berufssoldat und Burschenschafter gehört dem völkischen Flügel um Björn Höcke an. Die Auseinandersetzung der anderen Parteien mit der in Brandenburg ganz klar rechtextrem ausgerichteten Partei beschränkt sich auf Symbolik, die aber mit der Anbiederung an ihre Wähler einhergeht.

Von dieser Situation profitieren die Grünen. Sie erscheinen als liberale und öko­logische Partei und somit als Gegenentwurf zur AfD. Damit werden sie attraktiv für Menschen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Brandenburg im Rahmen der sogenannten Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus engagierten. Zudem nutzt ihnen der ­Zuzug aus Berlin.

Keinen Einfluss auf den Wahlausgang dürften die Veranstaltungen ­haben, die von linken Gruppen in den vergangenen Wochen in Brandenburg veranstaltet wurden – zu kurzfristig ist das Engagement und zu schwach die eigene lokale Basis.