Antifaschisten als Staatsfeinde

Der Feind steht links

Republikaner wollen in den USA antifaschistische Gruppen als Terrororganisationen einstufen. Es sind dieselben Politiker, die mit gewaltbereiten Rechtsextremisten sympathisieren.

»Eine klare Botschaft an die Antifa: Bleibt weg aus El Paso! Bleibt grundsätzlich weg aus Texas!« Diese politische Botschaft verkündete der stellvertretende Gouverneur von Texas, Dan Patrick, am Sonntag im Gespräch mit dem Sender Fox News. Angesichts des Massakers in El Paso, bei dem ein mutmaßlich rechtsextremer Schütze am Wochenende 22 Menschen getötet hatte, hatten antifaschistische Gruppen Demonstrationen in der Stadt angekündigt.

Patricks Aussage passt zur derzeitigen Politik seiner Partei, der Republikaner. Am 18. Juli brachten die republikanischen Senatoren Bill Cassidy aus ­Louisiana und Ted Cruz aus Texas die Senatsresolution 279 ein. Cassidy und Cruz fordern, dass »die Gruppen und Organisationen im ganzen Land, die unter dem Banner der Antifa agieren, als inländische terroristische Orga­nisationen bezeichnet werden«.

Es handelt sich um den bisher am weitesten gehenden Versuch der Rechten, von der Angst vor »der Antifa« zu profitieren, die sie selbst geschürt hat. Seit 2016 hat die Popularität antifaschistischer Gruppen in den USA erheblich zugenommen. Sie haben keine Führung, keine nationale Entscheidungsstruktur und keine organisierte Finanzierung. Dennoch stellen einige rechte und rechtsextreme Medien »die Antifa« seit etwa zwei Jahren als eine hochdisziplinierte Organisation dar, die als paramilitärischer Untergrundflügel der Demokratischen Partei fungiere und von dem liberalen jüdischen Investor George Soros finanziert werde. Das Bild des wohlhabenden jüdischen Strippenziehers, der hinter den Kulissen linke soziale Bewegungen kontrolliert, ist seit dem 19. Jahrhundert ein wichtiges Element der antisemitischen Ideologie.

Propaganda und Projektion

Zu den seit Jahren von Rechten verbreiteten Lügen über »die Antifa« gehört etwa, diese habe geplant, im November 2017 einen Bürgerkrieg zu beginnen; der Schütze, der im Oktober 2017 auf einem Country Music Festival in Las Vegas 58 Menschen tötete, habe Verbindungen zu ihr gehabt; und auf Flugblättern der Antifa sei der Mord an weißen Kindern gefordert worden. Die Propaganda beruht in hohem Maß auf Projektion. Die extreme Rechte versucht, der radikalen Linke ihr eigenes Handeln anzulasten: anhaltende, mörderische Gewalt.

Der Text der Resolution ist überaus ungenau. Wie Jessica Kwong im Magazin Newsweek feststellte, bezieht er sich in austauschbarer Weise auf »die Antifa«, »mit der Antifa verbundene« und »linke Aktivisten«. Kwong nennt ein Beispiel, bei dem ein Meinungsbeitrag des rechten Propagandisten Andy Ngo im Wall Street Journal in der Resolution als Nachrichtenartikel dargestellt wird. Ngo bezieht sich auf drei Vorfälle, bei denen »linke Aktivisten« gegen das Vorgehen der Behörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) protestierten und Behördenmitarbeiter ­bedrohten – dabei konzentrieren sich Antifa-Gruppen in den USA auf die Arbeit gegen Rechtsextreme, nicht gegen Behörden.

Obwohl es sich nicht um eine bindende Resolution handelt, könnte sie erhebliche Auswirkungen haben, sollte der Senat sie verabschieden. »Inländischer Terrorist« ist zwar keine offizielle Bezeichnung, aber das FBI stuft bestimmte Gruppen und Bewegungen informell als solche ein und wendet zusätzliche Ressourcen für deren Strafverfolgung auf. Deshalb weist Cooper Brinson, der als Anwalt bei der in Eugene, Oregon, ansässigen NGO Civil Liberties Defense Center (CLDC) tätig ist, darauf hin, dass die Resolution ein erster Schritt sein könnte, neue föderale Richtlinien für das Justizministerium oder andere Behörden zu schaffen. Sie würden es vereinfachen, gegen Linke allgemein vorzugehen.

Antifa als Terrorgruppe, Rechtsextreme als Opfer

Der Resolution war am 17. Juli ein Brief Brian Fitzpatricks, eines republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, vorausgegangen, in dem dieser den Justizminister und Generalbundesanwalt Bill Barr gebeten hatte, »die notwendigen Verfahren einzuleiten, um die Antifa als inländische Terrororganisation einzustufen«. Cruz reichte am 23. Juli nicht nur die Resolution ein, sondern befragte in einer Sitzung des Justizausschusses auch den FBI-Direktor Christopher A. Wray zur Sache.

Dort verglich der Senator »die Antifa« mit dem Ku-Klux-Klan und der Mafia und sagte: »Ich werde heute einen Brief an das Justizministerium schicken, in dem Sie gebeten werden, eine RICO-Untersuchung über die Antifa einzuleiten.« »RICO« steht für Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act, ein bundesweit gültiges Gesetz mit hohem Strafmaß, das zur Verfolgung organisierter Kriminalität geschaffen wurde.

Der Brief, den Cruz auch auf Twitter veröffentlichte, ist mit Ungenauigkeiten gespickt. Die Antifa wird als »eine linke anarchistische Terrororganisation« bezeichnet, die Rechtsex­tremen werden zu den tatsächlichen Opfern erklärt. Zudem behauptet Cruz darin, Ted Wheeler – der umstrittene demokratische Bürgermeister von Portland, Oregon, der bei Linken in der Stadt kein hohes Ansehen genießt – habe »linken paramilitärischen Organisationen erlaubt, normale Amerikaner ungestraft zu terrorisieren«.

Cooper Brinson vom CLDC bezeichnet die Resolution als »kalkulierten Versuch, von der brutalen Gewalt der republikanischen Basis abzulenken«, indem der grundlose Vorwurf erhoben werde, antifaschistische Arbeit sei Terrorismus – eine Idee, die ihren Ursprung in der Bewegung sogenannter weißer Nationalisten habe. Tatsächlich hat Cruz die Nähe der extremen Rechten gesucht, vor allem bewaffneter Milizen. Er sprach während der Haushaltskrise 2013 in Washington, D.C., auf einer Demonstration der Oath Keepers, einer bewaffneten rechtsextremen Gruppe.

Mehr als 500 rechte Morde

2016 äußerte er sich auch wohlwollend über die bewaffnete Besetzung des Malheur National Wildlife Refuge in Oregon unter der Führung der rechtsextremen Familie Bundy. Während des anschließenden Wahlkampfs für die Präsidentschaftsvorwahlen schaltete er in Nevada einen Fernsehspot, in dem er forderte, im Besitz des Bundes stehende Grundstücke sollten verkauft werden – eine Hauptforderung der Bundys.

Kürzlich wurde ein Foto öffentlich bekannt, auf dem Cruz mit Enrique Tarrio posiert. Dieser nahm 2017 an der rechtsextremen Demonstration in Charlottesville teil und ist der Anführer der »Proud Boys«, einer Schlägertruppe der Alt-Right. Die beiden hatten sich auf der Conservative Political Action Conference Ende Februar / Anfang März getroffen. Sollten die RICO-Gesetze auf Personenkreise angewendet werden, die an den jüngsten Straßenkämpfen zwischen der extremen Rechten und der radikalen Linken beteiligt waren, käme Anwalt Brinson vom CLDC zufolge keine Gruppe mehr in Betracht als die »Proud Boys«.

Der NGO Anti-Defamation League zufolge waren Rechtsextreme 2018 in den USA für alle 50 Morde verantwortlich, die die Organisation dem »Extremismus« zuordnete. Seit 1990 haben Rechtsextreme in den Vereinigten Staaten nach zurückhaltenden Schätzungen über 500 Morde begangen – andere Schätzungen sind deutlich höher. Antifaschisten haben in diesem Zeitraum eine Person getötet. Dieser Todesfall ereignete sich 1993 in Portland in einem Kampf mit Nazi-Skinheads, bei dem beide Seiten Schusswaffen hatten.

Übersetzte, aktualisierte und bearbeitete Fassung eines Textes, der zuerst unter dem Titel »Ted Cruz’s ›Antifa Are Terrorists‹ Resolution Seeks to Stifle the Left« auf truthout.org ­erschien.