Geplantes Attentat auf Ursula von der Leyen

Identitäre Soldaten

Ein Ex-Bundeswehrsoldat plante offenbar einen Anschlag auf Ursula von der Leyen. Die Spur führt ins burschenschaftliche Milieu.

450 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in der Bundeswehr werden derzeit vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) behandelt. Darunter sind je 34 Fälle des Verdachts auf Zugehörigkeit zu den sogenannten Reichsbürgern und zur Identitären Bewegung (IB). Zudem sind mehrere Vorfälle der vergangenen Jahre weiter ungeklärt, so etwa der Diebstahl diverser Waffen, darunter zwei G36-Sturmgewehre, die im Februar 2017 auf dem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Munster entwendet wurden.

Zu dieser Zeit soll auch Tobias L. beim dortigen Offizieranwärter-Bataillon 1 seinen Dienst geleistet haben. Der Welt am Sonntag vom 14. Juli zufolge gibt es konkrete Hinweise darauf, dass der ehemalige Offiziersanwärter L. für den 24. Juni 2017 einen Anschlag auf die damalige Bundesverteidigungs­ministerin Ursula von der Leyen plante.

Am 24. Juni 2017 besuchte von der Leyen in München den Beförderungsappell vor dem Nymphenburger Schloss. Ursprünglich sollten auch zwei Soldaten befördert werden, einer von ihnen L., die jedoch einen Monat zuvor unehrenhaft entlassen wurden. Grund waren ihre extrem rechte Gesinnung sowie Kontakte zur Identitären Bewegung (IB). Gegen L. nahm die Münchner Staatsanwaltschaft am 9. Juni 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz auf, das später jedoch ohne Erkenntnisse eingestellt wurde. Der MAD vermutete offenbar, L. habe Waffen bei sich versteckt. Noch am 9. Juni kam es zu einer Hausdurch­suchung bei L.

Nach Angaben der Welt am Sonntag gehen die Behörden ­davon aus, dass der Beschuldigte damit gerechnet und Vorkehrungen getroffen hatte. Bekannt ist auch, dass der MAD am Tag des Appells in München in erhöhter Alarmbereitschaft stand. Passanten hatten bereits wenige Tage vor dem Besuch der Ministerin im Biedersteiner Kanal nahe dem Nymphenburger Schloss eine jugoslawische Handgranate gefunden. 2018 fanden Passanten eine weitere Handgranate gleichen Typs an ähnlicher Stelle, wie vor kurzem bekannt wurde. Daraufhin stellte die bayerische Landtagsfraktion der SPD einen Dringlichkeitsantrag. Sie forderte die Landesregierung auf, umfassend über den Fall L. sowie über die ­gefundenen Handgranaten aufzuklären. Doch bislang gehen die Sicherheits­behörden sparsam mit Informationen zu den Vorfällen um. Ein Sprecher des MAD sagte, nach dem Ausscheiden von Personen aus der Bundeswehr liege die Verantwortlichkeit für die Ermittlungen beim Bundesinnenministe­rium. Zu laufenden Verfahren könne man sich zudem nicht äußern.

»Volk, Ehre, Vaterland«

Bereits im April 2017 stießen die Behörden im Zuge der Ermittlungen zum Soldaten Franco A. auf die Gruppe Nordkreuz. Etwa 30 Soldaten und Polizisten, vorwiegend aus Mecklenburg-Vorpommern, sollen sich darin organisiert und auf einen »Tag X«, verstanden als Zusammenbruch der bestehenden Ordnung, vorbereitet haben. Maximilian T., den die Behörden als Komplizen von Franco A. identifizierten, war damals Student der Münchner Bundeswehr­universität und stand in Kontakt mit jenem Kommilitonen, der zusammen mit Tobias L. Ende Mai 2017 aus der Bundeswehr entlassen wurde. Es ist noch nicht geklärt, welche Verbindungen L. zu den entsprechenden Personen hatte.

Nach der Grundausbildung habe sich der aus Hamburg stammende Tatverdächtige L. für 14 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und die Ausbildung im Offizieranwärter-Bataillon 1 in Munster durchlaufen, berichtete das Onlineportal »Antifaschistischer ­Infoticker Passau« unter Berufung auf Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg; über weitere Stationen sei er an die Universität der Bundeswehr in München gelangt und dort Fuchs bei der Münchner Burschenschaft Cimbria gewesen. Die Cimbria ist eine schlagende Verbindung und im rechten Dachverband der Deutschen Burschenschaft (DB) organisiert. Auf der Internetseite der Autonomen Antifa Freiburg heißt es, L. sei dort ­wegen seiner »Verhaltensweisen gegenüber Damen« rausgeflogen. Die Burschenschaft Alemannia habe ihm ein Hausverbot erteilt, nachdem L. mehrfach den Hitlergruß gezeigt habe. Im Juni 2017, nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Bundeswehr, habe er ein Jurastudium an der Universität Passau begonnen.

Dort sei er der österreichischen Tageszeitung Der Standard zufolge mittlerweile Aktiver der Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf, die ebenfalls Mitglied der DB ist. Auf ihrer Homepage verdeutlicht die Verbindung ihr Weltbild. Dort heißt es unter der Überschrift »Prinzipien zu Volk, Ehre, Freiheit und Vaterland«: »Unter Volk verstehen wir die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche ­Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche Sprache verbunden ist.« Zudem finden sich auf der Homepage Verweise auf neurechte Medien wie Sezession, Junge Freiheit sowie den Verlag Jung­europa.

Kriegsverbrecher als Alter Herr

Der »Antifaschistische Infoticker Passau« schreibt, es gebe zwischen der Markomannia, der rechten Münchner Burschenschaft Danubia, deren Aktivitas vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und der AfD sowie der IB enge Kontakte und personelle Überschneidungen. So habe die Gründung der ­IB-Ortsgruppen Deggendorf und Passau 2016 im Verbindungshaus der Markomannia stattgefunden. Seit März 2019 gehöre L., so der Standard, außerdem dem Vorstand der Jugendorganisation der AfD, der Jungen Alternative (JA) Ostbayern an. Diese unterhalte schon länger Kontakte in die extreme Rechte, berichtete die Online-Zeitung Regensburg Digital im Mai.

Ein bekanntes Mitglied der ehemals in Wien ansässigen Burschenschaft, deren Mitglied L. noch immer ist, war Otto Skorzeny. Der wegen Kriegsverbrechen 1947 verurteilte ehemalige SS-Obersturmbannführer und Alte Herr der Burschenschaft wird bis in die ­Gegenwart von Neonazis verehrt. So machte im vergangenen Jahr die ­Gruppe »Interventionistische Rechte – Kommando Otto Skorzeny« von sich ­reden, in deren Namen bundesweit mehrere Gastwirte, die der AfD Räume verwehrt hatten, schriftlich bedroht wurden. So berichtete die Süddeutsche Zeitung im März 2018, mehrere Gastronomen aus München und dem Umland hätten von der Gruppe E-Mails erhalten, in denen ihnen mit dem Einwerfen von Fensterscheiben oder dem ­Beschmieren von Fassaden der Lokale gedroht wurde, falls dort weiterhin »Veranstaltungen linker, grüner beziehungsweise antifaschistischer Gruppierungen oder Parteien« stattfänden.

Ob zwischen L., der Burschenschaft Markomannia und dem Kommando Otto Skorzeny Verbindungen bestehen war Gegenstand einer Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Toni Schuberl und Cemal Bozoğlu an die bayerische Staatsregierung vom 22. Juli. Ebenfalls Gegenstand der Anfrage sind Informationen, denen zufolge Tobias L. für die IB und die rechtsextreme Münchner Burschenschaft Danubia Vorträge und Schulungen über den Umgang mit Polizei und Verfassungsschutz abgehalten haben soll. Allerdings werden die diese Anfrage sowie der Dringlichkeits­antrag der SPD-Fraktion erst nach der Sommerpause verhandelt.