Die Kerzen - »True Love«

Heiß wie Wachs

Sentimental und aufgekratzt: Die Kerzen erzählen auf ihrem Debut-Album von Philosophie, Kummer und unerfüllter Liebe.

1982 veröffentlichten eine Handvoll Bands, unter ihnen Dexys Midnight Runners, Scritti Politti und ABC Alben, die manche Kritiker dazu veranlassten, fortan vom »Pop-Sommer 1982« zu sprechen. Bei den Mitgliedern dieser Bands handelte es sich um ehemalige Punks, die nun Soul, Nor­thern Soul und Funk für sich entdeckten. Jeder von ihnen redete und trat auf wie ein Tausend­sassa, und ihr Enthusiasmus entflammte an Gegenständen, um die Musiker bis dato eher einen Bogen gemacht hatten.

Scritti Politti beispielsweise verliebten sich nach einer Seite Lektüre von Jacques Derrida prompt in den Philosophen, wie sie in dem nach ihm benannten Lied berichten. Dexys Midnight Runners bewunderten, dass ein Sänger im Radio traurig klingen, aber genau ­damit Millionen Herzen höher schlagen lassen konnte. Und ABC kamen zu der Einsicht, dass »Living« und »Leaving« einander bedingen. Wer leben will, muss also jemanden verlassen. Die Musik, die diese Einsicht transportierte, klang allerdings ganz und gar nicht tragisch, sondern ­euphorisch.

Das lässt sich auch über »True Love«, das erste Album der Band Die Kerzen sagen, das auch ein wenig so klingt, als sei es in den frühen Achtzigern aufgenommen worden. Von Liebe erfüllt erzählen die Kerzen von Philosophie, Kummer oder herbeigesehnten Treffen.

Etwa in dem Lied »Blue Jeans«, in dem laut Text an einer bestimmten Frau »alles strahlt«, was den Sänger so einschüchtert, dass er sie gar nicht erst fragt, ob sie mit ihm ins Berghain kommt, sondern stattdessen allein hinfährt. Weil sie sich für »Asien interessiert«, hofft er auf dem Weg ins Heizkraftwerk, dass sie sich mal wieder treffen, zum Beispiel in »Saigon«, der Stadt, die dem nächsten Lied den Titel gibt. Diese Aussicht steigert sein Selbstbewusstsein  was sich in dem Stück »True Love« ausdrückt.

Melancholie schwingt bei den gesungenen Erinnerungen an unerquickliche Begegnungen immer mit, wie die an die Demütigung, als die Angebetete statt den Sänger einen Hund küsste, sogar auf die Schnauze. Von solchen Erfahrungen berichten Die Kerzen gleichzeitig sentimental, voller Witz und Hingabe. Sie klingen Takt für Takt schneidig, aufgeräumt und aufgekratzt.

»True Love« ist der Typ von Platte, die einem ordentlich den Kopf waschen kann. Das mag überspannt klingen, aber Überspanntheit ist nicht die schlechteste Voraussetzung, um musikalisch loszulegen.

Die Kerzen: True Love (Staatsakt)