Im Paragraphendschungel – Recht im linken Alltag

Extrawurst für die AfD

Seite 2 – Gesinnungsaufsatz
Kolumne Von

Doch der Wahlausschuss sollte gerade nicht politisch entscheiden. Die Kriterien, die er anlegen muss, sind strikt formal, wie auch die Anforderungen an eine Aufstellungsversammlung – und daraus waren die Probleme entstanden. Das deutsche Wahlrecht ist allgemein sehr formal streng reglementiert, was auch mit der rechtlich privilegierten Stellung der Parteien in der deutschen Verfassungsordnung zu tun hat. An der Rechtsstellung und der erfolgreichen Teilnahme hängen materielle und prozessuale Rechte und letztlich auch Geld, das im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung fließt.

Die Hoffnung, die vergangene Woche enttäuscht wurde, war, dass das Urteil einige wahlrechtliche Fragen klärt. Der sächsische Verfassungshof erklärte die teilweisen Streichung für teilweise ­ungültig und ordnete an, dass die AfD mit 30 Listenkandidatinnen und -kandidaten antreten darf. Diese Entscheidung war so zwar nicht unbedingt zu erwarten, denn die ursprüngliche Streichung von Kandidaten erschien rechtlich nachvollziehbar. Aber das ist nicht das eigentliche Problem.

Das Gericht hat eine Anordnung getroffen, ohne diese rechtlich näher zu begründen. Veröffentlicht wurde lediglich eine Pressemitteilung, die keinen Bezug auf Normen des sächsischen Wahlrechts und des Verfassungsrechts nahm und deswegen die offenen Rechtsfragen nicht klärte. Genau das aber muss ein Urteil leisten, sonst taugt es nichts.

Ein Urteil muss für die Beteiligten und die, soweit vorhanden, interessierte Öffentlichkeit mehrere Punkte unmissverständlich erkennen lassen: Zunächst die Frage, was angeordnet wird – das ist hier passiert; dann die Frage, welche Tatsachen das Gericht für gegeben hält, den sogenannten Tatbestand. Im vorliegenden Fall, da es sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt, kann das recht oberflächlich erfolgen. Und zu guter Letzt muss es zumindest die maßgeblichen Normen nennen und die eigene rechtliche Würdigung dieser Normen darlegen. Dieser Teil fehlt leider komplett. Das Gericht hat zwar Erwägungen getroffen, diese waren jedoch allgemeiner Natur und nannten nicht die jeweiligen Normen, auf die sie sich stützten, oder sie erfolgten unabhängig von solchen. »Fehlender Normbezug« heißt das im Juristendeutsch, oder gehässiger: »Gesinnungsaufsatz«.