Dem Putschversuch in Äthiopien folgt eine Regierungskrise

Exklusive Ethnien

Seite 5 – Zerstrittene Führungsschicht

Tatsächlich haben die ethnischen beziehungsweise ethnisierten Konflikte verschiedene Ursachen, unter anderem gehen sie auf die durchgehend autoritäre Herrschaft der Vorgänger von Abiy Ahmed zurück. Polizeiliche und militärische Macht, Kontrolle und Gewalt waren der Kitt, der die autonomen Regionen in Äthiopien über Jahrzehnte zusammengehalten hatte. Die alte Führungsschicht ist zerstritten, ihr gehören mehr oder weniger Reformwillige an und solche, die ihre Macht um keinen Preis verlieren wollen. Die Strukturen in Justiz und Verwaltung sind trotz aller Reformversprechen noch weit­gehend die alten. Eine demokratische Transformation des Staatsapparats vollzieht sich nur langsam, und auch die ethnisch-föderalen Strukturen der autonomen Verwaltungsregionen erweisen sich als recht resistent gegen Veränderungen.

Bei den Unruhen in den verschiedenen Landesteilen geht es jedoch nicht überall und nicht allein um separatistische Forderungen oder den Kampf um Privilegien. Gerade die Anliegen der jungen Bevölkerung gehen weit über das hinaus, was die eingeschworene Gemeinschaft ehemaliger Guerillakämpfer als Regierungsstil etabliert hat, der den ethnischen Föderalismus prägte. Die Investitionspolitik der Regierung, die ausländischen Großunternehmen Zugriff auf Land, Wasser, Salz- und Kohlevorkommen verspricht, hat auch bei der jungen Bevölkerung nicht nur Befürworter.

Die Frage bleibt, ob Abiy die Sicherheitsbehörden und die Armee in Zukunft im Zaum halten und ob er verhindern kann, dass die von seinen Vorgängern hochgerüsteten Regionalpolizeieinheiten, die teils paramilitärisch auftreten, wieder in die Menge schießen, wenn die Menschen ihren Unmut nun auf die Straßen tragen.