Militärhunde

Die sollen nicht spielen

Eine traditionsreiche Spezialeinheit der israelischen Armee setzt Hunde zur Terrorbekämpfung ein. Aber auch in der weltweiten Katastrophenhilfe werden die ausgebildeten Tiere gebraucht.
Von

Bei einer Übung zur Terrorbekämpfung im Westjordanland fliegt um Mitternacht ein Helikopter mit einer Spezialeinheit der israelischen Armee (IDF) in die Negev-Wüste. Genauer gesagt nach Tze’elim, wo das Militär ein Gefechtsübungszentrum betreibt. Auf 19 Quadratkilometern ist auf dem Stützpunkt die künstliche Wüstenstadt »Baladia City« entstanden, in der die Armee den Häuserkampf trainiert. Ein Dutzend schwerbewaffneter Kämpfer landet auf dem Dach eines mehrstöckigen Gebäudes. Es sind Angehörige der Einheit Oketz (Stachel). Ihre Mission ist es, Terroristen, die sich in einer Wohnung versteckt halten, zu finden und gefangen zu nehmen. Dabei sind die Kämpfer nicht allein, das Besondere an dieser Einheit ist, dass sie von Hunden begleitet werden. Mit Hilfe der speziell ausgebildeten Tiere wird der Feind schnell gefunden und außer Gefecht gesetzt. Der Einsatz von Kampfhunden hat in der IDF eine lange Tradition. Die Oketz wurde 1939 gegründet und bestand bis 1954. Unter dem Eindruck zahlreicher Terroranschläge wurde sie 1974 wieder aufgestellt. Die Einheit ist auf die Ausbildung und den Einsatz von Diensthunden – vor allem deutsche und belgische Schäferhunde sowie Rottweiler – bei militärischen Operationen spezialisiert. Zu ihren Aufgaben gehören die Suche nach Sprengstoff, Minen, Waffen und Munition sowie das Bergen von Opfern in eingestürzten Gebäuden und der Einsatz gegen Terroristen, wie bei den Kriegen im Libanon, sowie Operationen im Gaza-Streifen und im Westjordanland. »Hunde können der beste Freund eines Menschen, aber gleichzeitig auch der schlimmste Feind eines Terroristen sein«, erklärt der junge Oberleutnant Avishai Rappoport* während der Übung. »Der Hund wird auf den Einsatz bestens vorbereitet und ist eine tödliche Waffe, wenn es darauf ankommt. Er hilft uns, den Angreifer zu fangen und zu neutralisieren.« Die gute Zusammenarbeit zwischen Hunden und Soldaten ist für den Erfolg des Einsatzes entscheidend.

Um das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier von Anfang an zu stärken, verbringen beide viel Zeit miteinander. »Mein Schäferhund heißt Rambo, da er so stur und mutig ist wie die Filmfigur«, lacht Rappoport. »Als er eineinhalb Jahre alt war, wurde er mir zugeteilt. Das gemeinsame Training dauerte 16 Monate.« Die Ausbildung ist für Mensch und Tier hart. Nur die besten Tiere werden in die Einheit aufgenommen. Genau wie die Soldaten müssen auch die Hunde fit sein, um verschiedene Trainingseinheiten – wie Ausdauerund vor allem Militärübungen mit realistischem Szenario – absolvieren zu können. Ziel ist es, den Hund so zu dressieren, dass er jeden flüchtenden Verdächtigen auf Befehl verfolgt, stellt und festhält. In der Regel aber werden die »Soldaten auf vier Pfoten« als Späher eingesetzt. Zweibeiniger Soldat und Hund müssen aufeinander achten. So trägt jeder Oketz- Soldat während einer Operation nicht nur seine eigene Wasserration mit sich, sondern auch 1,5 Liter für seinen Hund. Nach dem letzten Libanon-Krieg 2006 hat die israelische Armee den Einsatz von Diensthunden noch weiter professionalisiert. Gegenwärtig übernehmen sie bei vielen Elitekampfeinheiten wesentliche Aufgaben. »Die Soldaten von Oketz sind eine äußerst flexible Multitasking-Truppe und führen innerhalb der IDF die meisten Operationen durch«, erklärt der zuständige Major und Befehlshaber der Einheit, dessen Name streng geheim ist. »Sie sind auch bei Missionen der Aufklärungseinheiten und Marinekommandos dabei.« So halfen Soldaten der Einheit auch die Angriffstunnel der libanesischen Terrormiliz Hizbollah im Norden und erst kürzlich erneut die der palästinensischen Hamas aus dem Gaza-Streifen ausfindig zu machen. »Unsere Truppe gehört bei jedem Ernstfall zur Speerspitze der Armee. Sie hat die Aufgabe, die einzigartigen mentalen und physischen Herausforderungen direkt zu meistern«, erklärt der Major. Seit den neunziger Jahren wird die Einheit auch bei humanitären Katastrophen in allen Teilen der Welt eingesetzt. Mit ihren Such- und Rettungshunden half sie sowohl bei den Erdbeben in der Türkei und in Haiti als auch nach den Bombenanschlägen auf die US-Botschaft in Kenia. Soldaten der Oketz gehörten auch zur 130köpfigen Hilfsdelegation der IDF, die zu Beginn dieses Jahres nach Brasilien entsandt wurde, als nach einem Dammbruch in Brumadinho im Südosten des Landes eine Schlammlawine Siedlungen und Einrichtungen in der Nähe der Stadt zerstörte und mindestens 246 Menschen tötete. »Das Ausmaß der Katastrophe war enorm«, sagt Hauptmann Ron Levi*, der auf solche Einsätze spezialisiert ist. Zunächst drangen Suchhunde in das nur schwer zugängliche Terrain vor und halfen, im Schlamm eingeschlossene Opfer zu lokalisieren. Danach konnten die Rettungskräfte Hunderte Menschen befreien und Tote bergen. »Die professionelle Zusammenarbeit zwischen unserem Team und den verschiedenen Mitgliedern der israelischen Delegation trug wesentlich zum Erfolg bei«, erzählt er weiter. »Unsere Erfahrung, die wir bei den vielen Katastrophen weltweit gesammelt haben, hilft uns auf diesem Gebiet.« Der Einsatz ist für die Tiere oft mit großen Risiken verbunden, zahlreiche Hunde sind verletzt worden oder sogar ums Leben gekommen. So wurden im letzten Gaza-Krieg 2014 vier Hunde während des Gefechts tödlich verwundet. »Unsere Einsätze sind sehr riskant und es besteht immer die Gefahr, dabei verletzt zu werden. Doch letztlich retten die Hunde Menschenleben«, erzählt Rappoport. Jeder getötete Hund erhält eine Militärbestattung und wird auf einem speziellen Friedhof auf der Adam-Militärbasis außerhalb Jerusalems – dem Hauptquartier der Oketz-Einheit – beigesetzt. Die meisten Tiere werden im Alter von sieben Jahren aus dem Militärdienst entlassen und in der Regel von ihrem Hundeführer adoptiert. Einige Hunde übernehmen nach der Militärzeit andere Aufgaben, unter anderem als Helfer in Einrichtungen für betreutes Wohnen. Manche werden auch als Bombenschnüffler ins Ausland verkauft. Hunde, die als gefährlich eingestuft werden, kommen in ein besonderes Tierheim. »Während meines Wehrdienstes lerne ich, viel Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für meine Soldaten, sondern auch für den mir anvertrauten Hund«, erzählt Rappoport. »Der Hund ist mein Partner bei der Arbeit und mein bester Freund zu Hause.«
* Namen wurden geändert.