Der Comic »Von unten« von Daria Bogdanska

Zwischen Punk und Arbeitskampf

Seite 3 – Abhängigkeit und Befreiung

»Eigentlich gefällt es mir ganz gut, wie es zwischen uns ist. Ohne großen Erwartungsdruck«, verrät sie ihrem vertrauten Freund Mendi. »Aber ich weiß irgendwie nicht. Ich wünschte, ich hätte mal etwas, das bleibt, wie es ist. Jemand, auf den ich mich verlassen kann.« Daria fühlt sich Erik gegenüber verpflichtet, weil er ihr beim Ankommen in Malmö geholfen hat. Dem leicht depressiven, vor allem aber naiven Erik ist Darias Abhängigkeit ganz recht. Wenn es ihm passt, besucht er sie in Malmö, ruft sie an oder bittet sie, Weihnachten mit ihm zu verbringen. Er nutzt ihre Unsicherheit subtil aus, wenn er vorschlägt, sie zu heiraten, um ihren Aufenthaltsstatus zu festigen. Dazu kommt es nicht. Daria lernt den Punk Krisse kennen und verliebt sich in ihn. Sie trennt sich von Erik und entwickelt auch als Künstlerin immer mehr Selbstbewusstsein.

Der in Schwarzweiß gehaltene ­Comic schildert die prekäre Lage einer Generation ohne sichere Jobs, das Leben in der Malmöer Underground-Szene und die Sehnsucht der jungen Frau nach einer Perspektive. »Von unten« erzählt in mehrfacher Hinsicht eine Geschichte der Befreiung – aus Arbeitsverhältnissen, den Abhängigkeiten einer Beziehung und aus der Unsicherheit wegen der eigenen Zukunft. Der Comic versucht, diese verschiedenen Formen von Abhängigkeit in einen Zusammenhang zu bringen. »Alles ist provisorisch, alles ist unsicher. Wir müssen uns immer sagen lassen, unsere Generation sei ›verwöhnt‹. Aber wir sind Produkt und Opfer des Systems, in dem wir leben: im Kapitalismus«, erklärt die Zeichnerin in einem Interview ihre Arbeit.

Diese Ambivalenz, gleichzeitig Produkt und Opfer des Kapitalismus zu sein, spiegelt sich auch in einem Subtext des Comics: der politischen Punkszene, von der Daria geprägt ist. Die Subkultur steht nicht im Vordergrund, gibt dem Album aber durch Poster, Konzerte und Band­shirts einen roten Faden. »Das Kapital erhöht die Mieten und der Staat das Wohngeld, so kann man das eiserne Lohngesetz hintergehn«, singt eine schwedische Punkband im Comic. Die gleichen Widersprüche, mit denen Punk sich seit seiner Entstehung in den späten Siebzigern herumschlagen muss, machen auch Daria zu schaffen: So sehr man sich auflehnt gegen das System, die Gesellschaft, den Kapitalismus, so sehr bleibt man doch deren Teil. Anti­kapitalistische Lyrics und Ideale alleine sorgen nicht für eine freie Gesellschaft. Sie können aber motivieren, im eigenen Umfeld zu einem besserem Leben beizutragen. Dafür bedarf es der Vernetzung und der Solidarität – und der richtige Soundtrack ist auch nicht verkehrt.

Daria Bogdanska: Von unten. Übersetzung aus dem Schwedischen von Katharina ­Erben. Avant-Verlag, Berlin 2019, 200 Seiten, 22 Euro.