Wirtschaftsbeziehungen der EU zu Belarus

Logistik schlägt Menschenrechte

Die Bundesregierung fordert Alexander Lukaschenko auf, in Belarus die Menschenrechte zu wahren. Doch das Interesse, die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem autoritären Regime zu intensivieren, ist stärker.

Alexander Lukaschenko regiert als dienstältester Alleinherrscher Europas seit einem Vierteljahrhundert ein Land, das eingekeilt zwischen der Europäischen Union und Russland liegt. Ein Grund für die erstaunliche Vitalität des belarussischen Präsidenten besteht darin, dass er es bislang geschickt verstanden hat, sich der EU anzu­nähern, ohne jedoch seinen östlichen Nachbarn zu verprellen. Eine ähnliche Doppelstrategie betreibt auch die EU, wenn auch unter ­anderen Vorzeichen. Sie fordert von dem autoritären Regime, die Menschenrechte zu wahren, während die jeweiligen EU-Staaten, allen voran Deutschland, gleichzeitig ihre wirtschaftlichen Beziehungen intensivieren.

Wie fortgeschritten diese Beziehungen mittlerweile sind, zeigt sich in den Vereinbarungen, die in den vergangene Wochen getroffen wurden. So verkündete die Duisburger Hafen AG (Duis­port) Anfang Juli, gemeinsam mit Partnern aus China, der Schweiz sowie der belarussischen Staatsbahn einen riesigen Güterbahnhof errichten zu wollen. Das Terminal nahe Minsk soll Teil des nach Angaben der Betreiber weltweit größten Industrie- und Logistikparks Great Stone werden. Fast gleichzeitig wurde mit chinesischer und polnischer Beteiligung eine neue Gesellschaft gegründet, um den Güterverkehr von Belarus über Polen nach Deutschland erheblich zu beschleunigen.

Dazu passt, dass die russische Regierung ein großes Infrastrukturprojekt angekündigt hat. Anfang Juli gab Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew den Bau einer 2 000 Kilometer langen Mautautobahn frei, die von Kasachstan bis Belarus verlaufen wird. Mit der privat finazierten Autobahn soll ein Teil des Güterverkehrs zwischen Europa und China vom Schiffsverkehr auf den Landweg verlagert werden. Von der Straße werden die Container dann in Belarus in Züge verladen und weiter nach Duisburg, Hamburg oder Rotterdam geschafft. Während der Transport auf dem Wasser bis zu 62 Tage dauert, sollen auf diesem Weg nur noch zwei Wochen oder weniger nötig sein.

Kein Interesse an Zugeständnissen

Mit dem Logistikzentrum Great Stone nimmt Belarus eine Schlüsselstellung an der »Neuen Seidenstraße« für Europa ein, mit strategischer Bedeutung vor allem für Deutschland. Diese Entwicklung hat sich bereits in den vergangenen Jahren abgezeichnet. So stieg das Handelsvolumen zwischen Belarus und Deutschland 2017 um 25 Prozent, im vergangenen Jahr um weitere 16 Prozent.

Zwar beteuert die Europäische ­Union ungeachtet der immer engeren wirtschaftlichen Beziehungen, auch weiterhin menschenrechtliche Standards einzufordern. Erst vor wenigen Wochen forderten die außenpolitische Sprecherin der EU sowie der Europarat Belarus eindringlich dazu auf, die Todesstrafe endlich abzuschaffen, nachdem kurz zuvor ein Verurteilter hingerichtet worden war. Doch zeigt die EU keinen großen Bemühungen, ihre Forderungen auch durchzusetzen.

Die früheren Sanktionen wurden, bis auf ein Waffenembargo, bereits vor Jahren wieder aufgehoben. Und auch eine Annäherung an die EU, wie sie im Rahmen der östlichen Partnerschaft angeboten wird, ist für die belarussische Regierung bislang nicht attraktiv genug, um Zugeständnisse zu machen. Ein möglicher EU-Beitritt ist außerhalb jeder Diskussion. Die Beispiele der Ukraine, Moldaus oder Georgiens ­zeigen, dass außer vagen Versprechungen von der EU nicht viel zu erwarten ist. Was bleibt, ist eine folgenlose Menschenrechtsrethorik.

Die belarussische Regierung weiß, wo angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung die Prioritäten der EU-Staaten liegen. Wenig spricht dafür, dass sich Lukaschenko wegen der EU ernsthafte Sorgen um seine Zukunft machen muss.