Abgehängte Regionen in Deutschland

Kommunal, regional, scheißegal

Seite 3 – Raus aus dem Land

Als Mittel gegen die so verursachte Misere empfehlen die Kommissionsvorsitzenden, der Bund solle künftig ­verarmte Regionen in Ost- wie Westdeutschland fördern. Dies dürfte die wichtigste politische Empfehlung des Papiers sein: die Verstetigung und Verallgemeinerung der Bundesförderung für deindustrialisierte Gegenden, deren Industrien geschlossen werden.

Wo kein Zug mehr hält, das Freibad schließt und der Arzt 30 Kilometer entfernt ist, sollen künftig Ehrenamtliche die Lage retten.

Darüber hinaus enthält das Papier viele unverbindliche und zumeist vage Anregungen und Absichtserklärungen – etwa zur Entwicklung ländlicher Räume und regionaler Arbeitsmärkte, zur besseren regionalen Verteilung von Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen, zur Verbesserung der Telekommunikations- und Verkehrsnetze sowie zu Investitionen, um Ortskerne aufzuhübschen. Entsprechende Maßnahmen dürften allerdings zu regionalen Verteilungskonflikten führten – womit sich auch erklären ließe, weshalb die Vorschläge so wenig konkret ­werden.

Grundlegende Änderungen in sozialer Hinsicht sind nicht zu erwarten. ­Soziale Transferleistungen wie das Wohngeld und ALG II bleiben zum großen Teil kommunale Aufgaben. Kommunen, in denen viele arme Menschen leben, werden so weiterhin finanziell deutlich stärker belastet als andere. Zum Problem überschuldeter Kommunen hält das Papier fest: »Der Bund kann einen Beitrag leisten, wenn es einen nationalen politischen Konsens gibt, den betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen. Ein solcher Konsens setzte voraus, dass sichergestellt wird, dass eine neue Verschuldung über ­Kassenkredite nicht mehr stattfindet.« Sollte also unter Umständen eine einmalige Schuldenhilfe geleistet werden, müssten sich die Kommunen danach erst recht dem Spar­zwang beugen – nach besseren Zeiten klingt das nicht.

Angesichts einer derartigen Absage, die Lage verschuldeter Kommunen strukturell zu verbessern, verwundert es nicht, dass auch in dem Papier ein Wundermittel empfohlen wird, das sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit erfreut: die ehrenamtliche Tätigkeit. Wo kein Zug mehr hält, das Freibad schließt und der Arzt 30 Kilometer entfernt ist, sollen künftig Ehrenamtliche die Lage retten. Deshalb hat die Bundesregierung jüngst sogar die »Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt« gegründet. Allerdings hat die Sache einen Haken: Das Milieu, aus dem sich eine derart aktivierte »Zivilgesellschaft« vorwiegend rekrutiert, verlässt derzeit eher den ländlichen Raum, als dort zu bleiben, um Ehrenämter anzunehmen.