Rassismus in Israel

Juden zweiter Klasse

Seite 3 – Verschwörungstheorien kursieren

Die Proteste wurde in Israel sehr unterschiedlich wahrgenommen. Während sich viele Israelis mit den Demonstrierenden solidarisch zeigten, tauchten in den sozialen Netzwerken auch zahlreiche rassistische Aussagen über die Protestierenden auf. Verschwörungstheorien, nach denen der Protest der Israelis äthiopischer Herkunft im Dienst ganz anderer Interessen stehe, machten die Runde. Der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, verurteilte die »unerträgliche« Gewalt einiger Demonstrierender, widersprach aber Spekulationen, wonach die Proteste gelenkt seien. Erdan sagte, dass er sich mit Dutzenden von Aktivisten getroffen habe, die von Misshandlungen durch die Polizei berichtet hätten: »Sie haben sich nicht alle Geschichten ausgedacht und sich nicht koordiniert.«

Als die Proteste am 8. Juli wieder aufflammten, stellten deren Organisatoren mehrfach klar, dass es dabei nicht um den getöteten Salomon Tekah gehe, sondern um »den nächsten Salomon Tekah«. Vergleichbar heftige Ausschreitungen äthiopischer Juden hatte es in Israel 2015 gegeben. Auslöser war damals ein Video, das zeigt, wie Damas Pakada, ein Soldat äthiopischer Herkunft, von Polizisten grundlos angegriffen wird. Nach Meinung sehr vieler Israelis äthiopischer Herkunft veranschaulichte das Video, wie sie in Israel behandelt werden. Als Reaktion auf die Ausschreitungen 2015 bildete die Regierung einen Ausschuss, der von Emi Palmor, der Generaldirektorin des Justizministeriums, geleitet wurde. Er untersuchte die Behauptungen der äthiopischen Gemeinde, dass deren Mitglieder wegen ihrer Hautfarbe in allen Bereichen des Lebens Diskriminierungen ausgesetzt seien. Der Abschlussbericht, der im Juli 2016 vorgelegt wurde, bestätigte die Behauptungen der Gemeinde, insbesondere in Hinblick auf die routinemäßige Ungleichbehandlung durch die Polizei. Der Ausschuss gab auch 53 praktische Empfehlungen zur Behebung der Probleme.

Der Bericht sei eine Gelegenheit zur nationalen und institutionellen Selbstreflexion gewesen, sagte Palmor im Oktober 2017 der israelischen Tageszeitung, Yedioth Ahronoth. Man versuche zu verstehen, was bei der Einwanderung schiefgelaufen sei und wie die Fehler korrigiert werden könnten. Palmor konnte von einigen positiven Entwicklungen berichten, so habe der Staat das Bestehen von insti­tutionellem Rassismus anerkannt und Verantwortung dafür übernommen. Außerdem meinte sie, dass sich die Konflikte zwischen der Polizei und Israelis äthiopischer Herkunft abschwächten.

Obwohl auch jüngste Erhebungen der israelischen Zeitung Maariv eine deut­liche Verbesserung der Situation von Israelis äthiopischer Abstammung kons­tatieren, erinnern die Proteste der vergangenen Tage daran, dass die Lage für sehr viele der 150 000 Menschen zählenden Einwanderergruppe noch lan­ge nicht zufriedenstellend ist.