Lahme Literaten, Folge 17

Georg Klein

Kein Mut zum Trivialen und kein Talent fürs Avancierte: Die verschwiemelte Prosa von Georg Klein.
Kolumne Von

Während Thea Dorn ihre Trash-Vergangenheit ver­gessen musste, um zur Lieblingsautorin der Martin-Walser-Deutschen zu werden, verdankt sich die lebenswerkliche Stagnation mancher Kollegen der Weigerung, sich zur niederen Literatur zu bekennen, zu der es sie im Herzen zieht. Exemplarisch für solche Trivialangst, die im öde modernistischen Mittelmaß endet, ist der »literarische Großtüftler« (NZZ) Georg Klein, dem das Feuilleton, wenn er keinen vernünftigen Krimiplot zustande bringt, eine »Dekonstruktion der klassischen Detektivgeschichte« (FR) andichtet, und dessen halbgare Versuche im Genre der Dystopie von der Anhängerschaft zur »halluzinogenen Prosa« (NZZ) geadelt werden. Wie alle, die regelmäßig mit Franz Kafka verglichen werden, pflegt Klein einen Stil, vor dem es Kafka gegraust hätte: nicht klar, sondern vage, nicht von präziser Phantasie, sondern von verschwiemelter Metaphorik, nicht rätselhaft selbsttransparent, sondern sinnlos undurchsichtig.

In seiner mehr als 20jährigen Karriere hat Klein bewiesen, dass sich dieses Verfahren auf jedes beliebige Textformat anwenden lässt. Sein Debütroman »Libidissi« (1998) variiert Motive des Agententhrillers, »Barbar Rosa« (2001) solche des Detektivromans; »Die Sonne scheint uns« (2004) erinnert verschwommen an spanische Horrorfilme, spielt aber in einer deutschen Hafenstadt, »Die Zukunft des Mars« (2013) ist ein pessimistisch aufgehübschter Science-Fiction-Roman, und »­Miakro« (2018) exportiert die Angestelltenfiguren aus den Romanen Kafkas, Robert Walsers und Italo Svevos in ein verwaschen totalitäres Szenario wie in Rainer Werner Fassbinders »Welt am Draht«.

Doppelte Unfähigkeit

An jedem dieser Bücher lässt sich studieren, wie der fehlende Mut zur Trivialphantasie, gepaart mit dem penetranten Bedürfnis nach literarischer Avanciertheit, die Kolportage ebenso wie die Kunst verdirbt. Die Angestellten-Dystopie mutiert ­unter dem Einfluss unverdauter David-Lynch-Filme zu einem vor Fantasy-Kulissen ausgebreiteten Oberlehrer-Lehrstück über totalitäre Bedrohung; der Detektivroman erliegt schon nach wenigen Seiten dem mit Unwillen zur handwerklichen Konstruktion gepaarten Bedürfnis nach sinnhuberischer Atmosphärendichte; der Science-Fiction-Roman gerät alberner als die ­unfreiwillig komischen Filme, mit denen er nichts zu tun haben soll; und der Agententhriller will eine ernsthafte politische Parabel sein, statt die Politik, wie alle gelungenen Exemplare der Gattung es tun, als bloßen Hintergrund einer abenteuerlich-unglaubhaften Geschichte zu nehmen.

Der autobiographisch grundierte »Roman unserer Kindheit«, der die trübe Surrealität von Kleins Fiktionen mit Erfahrungen aus der Bundesrepublik der frühen sechziger Jahre verbindet und bereits im Titel an ein Generationenkollektiv appelliert, das sich darin wiederfinden soll, legt die Vermutung nahe, die doppelte Unfähigkeit zum Leichten wie zum Tiefen könnte sozialpsychologisch ähnliche Gründe haben wie Thea Dorns Abkehr vom Trash. Das nicht unglückliche, sondern verbissene Bewusstsein um die Korruption einer Vergangenheit, mit der man sich schlechterdings auch dann nicht identifizieren kann, wenn man sich kritisch und weltoffen über sie erhaben dünkt, treibt Klein zum Kafka-Epigonen wie seine Kollegin zur Sonntagsrednerin. Rationalisiert wird solch objektive Unfähigkeit mit der sei es pathetisch oder dräuend formulierten Klage, das Schicksal der Deutschen sei schon immer ein besonders schweres gewesen.