Lahme Literaten, Folge 17

Georg Klein

Seite 2 – Doppelte Unfähigkeit
Kolumne Von

An jedem dieser Bücher lässt sich studieren, wie der fehlende Mut zur Trivialphantasie, gepaart mit dem penetranten Bedürfnis nach literarischer Avanciertheit, die Kolportage ebenso wie die Kunst verdirbt. Die Angestellten-Dystopie mutiert ­unter dem Einfluss unverdauter David-Lynch-Filme zu einem vor Fantasy-Kulissen ausgebreiteten Oberlehrer-Lehrstück über totalitäre Bedrohung; der Detektivroman erliegt schon nach wenigen Seiten dem mit Unwillen zur handwerklichen Konstruktion gepaarten Bedürfnis nach sinnhuberischer Atmosphärendichte; der Science-Fiction-Roman gerät alberner als die ­unfreiwillig komischen Filme, mit denen er nichts zu tun haben soll; und der Agententhriller will eine ernsthafte politische Parabel sein, statt die Politik, wie alle gelungenen Exemplare der Gattung es tun, als bloßen Hintergrund einer abenteuerlich-unglaubhaften Geschichte zu nehmen.

Der autobiographisch grundierte »Roman unserer Kindheit«, der die trübe Surrealität von Kleins Fiktionen mit Erfahrungen aus der Bundesrepublik der frühen sechziger Jahre verbindet und bereits im Titel an ein Generationenkollektiv appelliert, das sich darin wiederfinden soll, legt die Vermutung nahe, die doppelte Unfähigkeit zum Leichten wie zum Tiefen könnte sozialpsychologisch ähnliche Gründe haben wie Thea Dorns Abkehr vom Trash. Das nicht unglückliche, sondern verbissene Bewusstsein um die Korruption einer Vergangenheit, mit der man sich schlechterdings auch dann nicht identifizieren kann, wenn man sich kritisch und weltoffen über sie erhaben dünkt, treibt Klein zum Kafka-Epigonen wie seine Kollegin zur Sonntagsrednerin. Rationalisiert wird solch objektive Unfähigkeit mit der sei es pathetisch oder dräuend formulierten Klage, das Schicksal der Deutschen sei schon immer ein besonders schweres gewesen.