Französische Waffen in Libyen

Angriff auf Tripolis

Seite 3 – Das Schicksal der Migranten

Teil der Vereinbarung von Skhirat war es auch, dass die nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes entstandenen Milizen ihr Eigenleben beenden und in eine einheitliche Armee eingegliedert werden sollten. Dazu kam es jedoch nicht, die Tripolis verteidigende Force de protection de Tripoli (FPT) etwa besteht aus vier miteinander verbündeten, jedoch autonomen Milizen. Allerdings sind manche dieser Verbände seit 2016 nicht mehr so stark islamistisch geprägt, viele lokale bewaffnete Gruppen handeln vor allem zu ihrem eigenen Vorteil und um ihren Warlords Zugriff auf Ressourcen des Landes zu sichern.

Die Regierungen der Türkei und Katars als Verbündete der GNA sind jedoch geschwächt: Die Türkei hat seit 2018 große wirtschaftliche Probleme; Katar wurde seit 2017 durch seine Nachbarstaaten am Golf diplomatisch und ökonomisch isoliert und boykottiert. Den 30. Gipfel der Arabischen Liga am 31. März dieses Jahres in Tunis verließ der Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, bereits nach der Eröffnungsfeier ohne Angabe von Gründen. Nicht zuletzt sind auch die europäischen Mächte uneins. Frankreich unterstützt mehr oder weniger offen Haftar und ließ ihn auf französischem Boden medizinisch behandeln.

Der Krieg in Libyen richtet die internationale Aufmerksamkeit auch wieder auf Migranten und Flüchtlinge, die in Libyen festsitzen. Dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge befinden sich in Libyen rund 50 000 registrierte Flüchtlinge und Asylsuchende und rund 800 000 weitere Migranten. Viele von diesen sitzen in Haftzentren fest, die genaue Zahl der Internierten ist nicht bekannt, Schätzungen gehen von bis zu 6 000 Menschen in 24 Haftzentren aus. Am Abend des 2. Juli wurde ein Haftzentrum für Migranten in Tajoura, rund 30 Kilometer südlich von Tripolis, angegriffen, wobei mindestens 66 Insassen getötet wurden, mutmaßlich von Truppen Haftars.

Dieser gibt den Truppen der GNA die Schuld für den Angriff, die UN fordern eine unabhängige Untersuchung. Bereits im Mai war das Haftzentrum bombardiert worden, damals zielten die Truppen Haftars allem Anschein nach auf einen in der Nähe liegenden Stützpunkt einer Miliz, die die GNA unterstützt. Die Verantwortung für das Bombardement trägt Haftar, jene für die Internierung der Migranten und ihre Haftbedingungen tragen jedoch die GNA sowie die ihr unterstellten Milizen. Die ost­libysche Zeitung al-Onwan – in ihrer englischsprachigen Ausgabe The Address – berichtete, die Milizen hätten inhaftierte Migranten unter anderem zum Reinigen ihrer Waffen gezwungen. Mittlerweile wurden zumindest die in Tajoura internierten Migranten wegen des Bombardements und des dadurch ausgelösten internationalen Skandals freigelassen.

In jüngerer Zeit hat die Politik vor allem Italiens, aber auch der übrigen EU-Staaten den Weg über das Mittelmeer für in Libyen feststeckende Migranten weitgehend versperrt. Von Jahresbeginn bis zum 20. Juni zählte das ­UNHCR über 3 000 von der libyschen Küstenwache aufgegriffene und in das Land zurückgebrachte Migranten. Nur 2 000 konnten in Italien landen, ein Bruchteil der Zahlen aus den Jahren 2013 bis 2015.