Kampagne gegen jüdische Partisanen

Der Kampf um die Erinnerung

Während des Zweiten Weltkriegs schloss sich Fania Brantsovsky den jüdischen Partisanen an, um den deutschen Massenmord im Baltikum zu stoppen. Heute wird sie deswegen selbst als Mörderin bezeichnet.
Reportage Von

Fania Yocheles Brantsovsky entkam dem Vilnaer Ghetto einen Tag vor dessen Auflösung (»Liquidierung« im ­Nazisprech) am 23. September 1943. Unter anderem, da zahlreiche Kanalar­beiter in Vilnius Juden waren, gelang es Fania Brantsovsky und einer Freundin, durch die Kanalisation aus dem Ghetto hinaus in die Stadt und an den deutschen Grenzposten vorbei zu fliehen. Sie wollten in Richtung der Wälder von Rūdninkai. Dorthin hatte sich die Fareinikte Partisaner Organisatzije (FPO), die Partisanenorganisation der litauischen Juden, zurückgezogen.

Bereits vor der Auflösung des Ghettos kam es regelmäßig zu Aktionen deutscher und litauischer SS-Einsatzgruppen, oft an jüdischen Feiertagen wie Yom Kippur. Sie nahmen Bewohner des Ghettos fest und ermordeten sie. Am 23. und 24. September deportierten die Besatzer und ihre litauischen Handlanger die verbliebenen 7.000 Menschen in Todeslager oder erschossen sie in einem Wald bei Ponary – einem Dorf, vielleicht 15 Minuten mit dem Zug von Vilnius entfernt.

Mahnmal am Ort der Massenmorde in Ponary.

Bild:
Dominik Mair

Die Flucht
Mehrere Tage lang waren Brantsovsky und ihre Freundin auf der Flucht. Zunächst mussten sie sich in den Straßen und Gässchen von Vilnius insbesondere vor den deutschen Polizisten hüten. Die litauischen und estnischen hätten, so erinnert sie sich 76 Jahre später, »bei gutaussehenden Mädchen« des Öfteren ein Auge zugedrückt. Wie gefährlich könnten die schon sein? Die beiden Frauen reisten vor allem nachts, tagsüber versteckten sie sich, oftmals mit Hilfe der litauischen oder polnischen Bevölkerung, etwa einer Bäuerin, die ihnen Milch und Brot gab. Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass die beiden Frauen richtiges litauisches Schwarzbrot zu essen bekamen. Den Geschmack dieses Brots trage sie, wie sie sagt, »immer noch im Herzen«.

Etwa 300 Kämpferinnen und Kämpfer waren in den Einheiten der jüdischen Partisanen organisiert.

Brantsovsky erzählt ihre Geschichte bei Schwarztee und Rahmgebäck im Wohnzimmer ihrer kleinen Plattenbauwohnung nahe dem jüdischen Friedhof von Vilnius. Auch an einen jungen Polen, der ihr half, an einer deutschen Polizeipatrouille vorbeizukommen, erinnert sie sich noch genau. »Wir konnten nicht umdrehen und zurück gehen«, sagt sie, »das wäre so viel auffälliger gewesen.« Sie hätten behauptet, sie wollten auf dem Feld seiner Großmutter Kartoffeln sammeln. Er ließ sie auf dem Hof seiner Familie übernachten und wies ihnen den Weg durch die Sumpflandschaft um den Wald. »Es war ein bisschen wahnsinnig«, sagt Brantsovsky. Sie seien gerade erst aus dem Ghetto geflohen und hätten ihr Schicksal in die Hände eines ihnen völlig unbekannten Mannes gelegt. Er half ihnen, statt sie zu verraten.

Als die beiden jungen Frauen schließlich zum Wachposten der FPO in Rūd­nin­kai gelangt waren, fingen sie an, »laut und hysterisch« zu lachen. Sie hatten das Passwort vergessen. Das Passwort der FPO lautete »Liza«, im Andenken an das FPO-Mitglied Liza Magun, die von der Gestapo ermordet worden war.

Litauens jüdische Partisanen
Gegründet wurde die FPO 1942 im Ghetto von Vilnius, ihr erster Kommandant war der Kommunist Jitzchak Wittenberg. Brantsovsky hatte ihn dort kennen­gelernt und schloss sich, von ihm ermutigt, dem bewaffneten jüdischen Widerstand an. Wittenberg starb 1943 in einem Gefängnis der Gestapo. Diese hatte gefordert, entweder werde Wittenberg ausgeliefert oder das komplette Ghetto werde »liquidiert«. Wittenberg lieferte sich selbst aus und nahm sich mit einer Zyankalikapsel das Leben. »Lasst uns nicht wie die Schafe zur Schlachtbank gehen«, war der so verzweifelte wie drängende Appell, den sein Nachfolger, der Schriftsteller Abba Kovner, verfasste, unter dessen Kommando auch Brantsovsky ausgebildet wurde. »Er war ein sympathischer Mann«, erinnert sie sich, »aber kein Militärmann.«

Brantsovsky beschreibt den regen Austausch zwischen den Ghettobewohnern und der FPO. Man versuchte, sich mit allen Mitteln gegen die Gewalt der Deutschen und die litauischen Kollaborateure zur Wehr zu setzen. Die FPO war ein Zusammenschluss von Zionisten, Sozialdemokraten und Kommunisten. Ihre politischen Differenzen hätten sie beiseitegelegt, berichtet Brantsovsky. Der gemeinsame Kampf gegen die Deutschen und das Überleben der eigenen Familien, Freunde und Genossinnen seien schlicht wichtiger gewesen.

Mahnmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden in Ponary.

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Dominik Mair

Die FPO habe regelmäßig Waffen in das Ghetto geschmuggelt. Zum einen unter Leitung des Partisanen und Kanal­arbeiters Schmul Kapriniski durch die Tunnel unter der Stadt, zum anderen über die Dächer von Vilnius. Die Schornsteinfeger der Stadt waren damals fast alle Juden. Viele von ihnen transportierten Waffen, die sie bei ihrem Arbeitswerkzeug und unter der Kleidung versteckten und durch die Schornsteine in die Häuser hinabließen. Für wichtige Arbeit, etwa als Kuriere der FPO, eigneten sich vor allem junge, blonde Frauen, weil sie in der Wahrnehmung der Deutschen und Litauer »nicht jüdisch« aussahen. Sie konnten leichter das Ghetto verlassen, Nahrung besorgen und Kassiber schmuggeln. Eine von ihnen war Chaika Grossmann, die 1942 in das Ghetto von Białystok reiste, dort bewaffnete Unterstützung wie auch Möglichkeiten zur Finanzierung der lokalen Gruppen einholte und den Kontakt zum Ghetto in Kaunas herstellte.

Nachdem es fast unmöglich geworden war, Leute direkt im Ghetto an der Waffe auszubilden, begaben sich die einzelnen Kommandos der FPO zunächst in die Wälder an der weißrussischen Grenze, schließlich in die Wälder von Rūdninkai. Ihr Hauptquartier bestand aus einigen in den Waldboden gegrabenen und von Bäumen und Ästen verdeckten Schützenstellungen, in denen die Partisanen lebten und von denen aus Aktionen geplant und koordiniert wurden. Lange werden sie, trotz der Versuche zur ­Sowjetzeit, die ehemaligen Stellungen zu Restaurationszwecken mit Beton zu verstärken, nicht mehr zu sehen sein. Voraussichtlich werden sie in den kommenden Jahren im sumpfigen Wald­boden versinken.

Etwa 300 Kämpferinnen und Kämpfer waren in den Einheiten der FPO organisiert. Gemeinsam mit der Roten Armee gelang es der FPO, Vilnius 1944 von der deutschen Besatzung zu befreien. Die Partisanen trugen maßgeblich zum Sieg über die Deutschen im Baltikum bei, schreibt Yitzhak Arad, ein ehemaliger Partisan und langjähriger Vorsitzender von Yad Vashem, in seinem Buch »Ghetto in Flames«, das erstmals 1980 veröffentlicht wurde.

Kampf ums Überleben
Im Holocaust-Museum in Vilnius, einem kleinen grünen Haus, gibt es zwei Fotos von Brantsovsky. Das eine zeigt eine große Familie, 16 Menschen. In der unteren linken Ecke kniet eine junge Frau mit kurzen brünetten Locken in einem schwarzen Kleid, sie ist 21 Jahre alt. Herausfordernd blickt sie in die Kamera. Das zweite Bild zeigt dieselbe Frau, das Kleid hat sie gegen Hosen eingetauscht, sie hat eine Maschinenpis­tole in der Hand und ist umringt von ebenfalls bewaffneten Männern und Frauen. Heute ist sie 98 Jahre alt, klein und zierlich, und ihre Haare sind weiß. Aber sie strahlt noch immer eine Stärke und einen Kampfeswillen aus, die keinen Zweifel daran lassen, dass es sich bei der alten Dame und der jungen Frau mit der Waffe um ein und dieselbe Person handelt.

Ein erhaltener Partisanenbunker im Wald von Rūdninkai.

Bild:
Dominik Mair

In dem Brantsovsky gewidmeten Dokumentarfilm »Liza ruft« erzählt sie von ihrem ersten Einsatz. Ihre Einheit sollte die Telefonleitungen der deutschen Truppen sabotieren – »und wir große Spezialisten haben es verpatzt«. Aber dafür habe sie wieder gefühlt: »Wir sind Menschen.« Bei der FPO lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, mit dem sie zwei Töchter und »eine ganze Menge Enkelkinder« hat, die in Litauen und Israel leben.

Fania Brantsovsky ist das einzige Mitglied ihrer Familie, das den Holocaust überlebt hat. Der Großteil der litauischen Jüdinnen und Juden wurde in dem Wald bei Ponary erschossen und von Häftlingen der »Sonderkommandos« verbrannt. Die Wehrmacht, die SS und litauische Schutzmannschafts­angehörige ermordeten dort 100.000 Menschen, davon 70.000 Jüdinnen und Juden. Zwischen 45.000 und 50.000 Menschen fanden den Tod im »Neunten Fort«, einem Teil der Festungsanlage von Kaunas. 9.200 Menschen wurden am 29. Oktober 1941 im Massaker von Kaunas erschossen, ein Drittel der jüdischen Bevölkerung der Stadt. Die wenigen Verbliebenen wurde in die deutschen Konzentrationslager in Estland oder Polen deportiert. Wiederum andere schufteten sich in den Arbeitslagern des Heereskraftfahrparks der Wehrmacht von Vilnius zu Tode.

Der ehemaligen Partisanin Rachel Margolis wurde 2008 vorgeworfen, sie habe Kriegsverbrechen begangen.

Wegen der relativ späten Christianisierung Litauens im 15. Jahrhundert fanden dort viele europäische Jüdinnen und Juden Zuflucht. Sie blieben zunächst von religiösem Antijudaismus und Pogromen weitgehend verschont. Man nannte Vilnius das »Jerusalem des Nordens«. Der Hitler-Stalin-Pakt teilte Litauen im August 1939 zunächst dem deutschen Einflussgebiet zu. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Litauen im Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag dem Einflussbereich der Sowjetunion zugesprochen. Im Juni 1940 wurde Litauen von sowjetischen Truppen, ein Jahr später von deutschen Truppen besetzt. Vor der deutschen Besatzung war die Bevölkerung einiger litauischer Städte bis zu 90 Prozent jüdisch. Von mehr als 200 000 Juden überlebten nur wenige die deutsche Besatzung.

Die Kampagne gegen die Partisanen
Brantsovsky wurde sowohl im Litauen der Sowjetzeit als auch in Deutschland gewürdigt, für ihren Kampf als Parti­sanin sowie für ihre pädagogische Arbeit. Sie sprach als Zeitzeugin mit zahlreichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auf diese Weise kämpft bis heute für die Erinnerung und gegen das Vergessen. Die ihr verliehenen Orden bewahrt sie in einer Schublade in ihrem Wohnzimmer auf. Doch in Litauen haben die ehemaligen Partisaninnen und Partisanen nicht nur Freunde. Seit mehr als zehn Jahren sind sie heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Brantsovsky spricht von einer »Kampagne«.

Diese habe 2006 eingesetzt, kurz nach dem Beitritt Litauens zur Nato. In der Tageszeitung Respublika erschien ein Artikel gegen Yitzhak Arad, den Autor von »Ghetto in Flames«. Die Überschrift lautete: »Der Experte mit den blutigen Händen«. Der Verfasser war damals wissenschaftlicher Mitarbeiter des nicht mit dem Holocaust-Museum zu verwechselnden litauischen Genozid-Museums, dass neben dem Litauen ­unter der deutschen Besatzung auch dem unter sowjetischer Herrschaft ­gewidmet ist. In dem Artikel hieß es, Arad sei an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen. Er habe als Partisan an einem Angriff litauischer und sowjetischer Partisanen auf das Dorf Kaniūkai teilgenommen, das damals noch in Polen lag und bei dem mindestens 38 Zivilisten ums Leben kamen. Dieser Angriff wird in verschiedenen polnischen und litauischen Darstellungen als Massenmord an Frauen und Kindern gedeutet, die Zahl der Getöteten und die Rolle der jüdischen Partisanen enorm übersteigert. Die litauische Staatsanwaltschaft begann, gegen Arad zu ermitteln.

2008 stand die Polizei vor der Haustür von Rachel Margolis, einer Mitarbeiterin am Holocaust-Museum von Vilnius. Auch ihr wurde als ehemaliger Partisanin vorgeworfen, Kriegsverbrechen gegen Zivilisten begangen zu ­haben. Noch drei Jahre zuvor hatte der litauische Ministerpräsident ihr offiziell seine Anerkennung für ihre Zeit als Partisanin ausgedrückt. Auch Brantsovsky erhielt auf einmal Besuch von Polizeibeamten. Proteste aus der jüdischen Bevölkerung von Vilnius, aus Israel und anderen Ländern folgten. Doch in Litauen selbst sah es anders aus. 2009 berichtete beispielsweise das populäre litauische Nachrichtenportal Delfi.lt: »Deutschland ehrt eine rote Partisanin, gegen die wegen Massenmord ermittelt wird«. Sogar die Lithuanina Human Rights Association (LHRA) veröffentlichte einen Bericht, der Brantsovsky, Margolis und Arad vorwarf, am Massaker von Kaniūkai beteiligt gewesen zu sein. 2011 meldeten sich Ermittler der internationalen Polizeibehörde Interpol bei dem ehemaligen Partisanen Joseph Melamed in Tel Aviv. Dieser war damals Vorsitzender der Association of Lithuanian Jews in Israel. Daraufhin zog Yad Vashem die geplante Einladung des litauischen Ministerpräsidenten zurück.

2013 bezichtigte die staatlich geförderte »Internationale Kommission zur Evaluierung der Verbrechen unter der Nazi- und sowjetischen Besatzung Litauens« den Wissenschaftler und Holocaustüberlebenden Pinchos Fridberg der Lüge, weil er darauf bestand, dass es Unterschiede zwischen der nationalsozialistischen und der sowjetischen Herrschaft in Litauen gegeben habe.

Rachel Margolis verstarb 2015 in Israel. Einer ihrer größten Wünsche sei es gewesen, ihre litauische Heimat noch einmal zu sehen, sagt Brantsovsky. Angesichts der Kampagne gegen sie sah sie sich dazu aber psychisch nicht in der Lage.

2017 veröffentlichte das extrem rechte Medienportal Propatria.lt eine Reihe diffamierender Artikel gegen die inzwischen 98 Jahre alte Brantsovsky. Das wissenschaftliche Institut des Genozid-Museums, das Genocide and Resistance Research Center, entlastete zwar Brantsovsky von dem in diesen Artikeln erhobenen Vorwurf der Beteiligung an den Erschießungen in Kaniūkai, benannte aber ihren verstorbenen Ehemann als einen der ­Täter.

Inzwischen treten rechte Tendenzen im Baltikum ­immer stärker zutage: Faschistische Gruppen gedachten im März auf Demonstrationen in Riga und Vilnius mit jeweils mehreren Hundert Teilnehmern gefallener SS-Männer, ohne dass nennenswerte öffentliche Proteste dagegen stattfanden.

Das ehemalige Ghetto von Vilnius.

Bild:
Dominik Mair

Der Kampf um die litauische Geschichte
Es seien nicht ausschließlich extrem rechte Gruppen für die Angriffe auf Brantsovsky und ihre inzwischen verstorbenen Mitstreiterinnen und Mitstreiter verantwortlich, sagt der Linguist Dovid Katz. Vielmehr sei in der litauischen Bevölkerung und Politik Geschichtsrevisionismus weit verbreitet. Die litauische Regierung habe Nazikollaborateure wie Adolfas Ramanauskas oder Jonas Noreika rehabilitiert. Inzwischen würdige man sie offiziell als Kämpfer gegen die sowjetische Unterdrückung und für die litauische Unabhängigkeit. Tatsächlich stehen ihre Namen an den Außenwänden des Genocide and Resistance Research Center in Vilnius.

Dovid Katz befasst sich auf seiner Web­site Defending History kritisch mit dem litauischen Geschichtsrevisionismus. Er dokumentiert die Anfeindungen gegen die ehemaligen Mitglieder der FPO. Er sieht die Kampagnen als Ausdruck eines litauischen Bedürfnisses, die Kollaboration mit den deutschen Besatzern bei der Verfolgung, Ermordung und Deportation der litauischen Juden herunterzuspielen oder zu rechtfertigen. Weil die Wehrmacht sich ab 1942 auf den Kampf gegen die Rote Armee konzentrierte, waren nur noch 700 Wehrmachtssoldaten in Litauen stationiert – und erhielten viel Unterstützung aus der nichtjüdischen Bevölkerung. Die Angriffe gegen Melamed hätten, so Katz auf seiner Website, nach der Veröffentlichung von dessen Buch »Crime and Punishment« eingesetzt, einer akribischen Aufarbeitung der litauischen Mittäterschaft am Holocaust. Melamed benannte darin mehr als 4 000 Mitglieder der Polizei, und des Militärs wie auch der irregulären Verbände. Katz denkt, man schreibe den Mitgliedern der FPO zu, baltische Frauen und Kinder ermordet zu haben, um die eigenen Verbrechen zu relativieren. Katz beschreibt diese Mentalität mit den Worten: »Wir haben eure Leute umgebracht, ihr habt unsere Leute umgebracht.«

Des Weiteren kränke es das litauischen Nationalbewusstsein, die Opferrolle der Bevölkerung in Frage zu stellen; dem begegne man mit einer Täter-Opfer-Umkehr. Die von Neonazis, Politikern und Medien ge­tragenen Kampagnen gegen die antifaschistische jüdische Geschichte Litauens enthält immer auch eine antikommunistische Komponente. Da viele Mitglieder der FPO Kommunisten waren und sie gemeinsam mit der Roten Armee kämpften, zähle man, wie Katz ausführt, Juden in Litauen zu den »Bolschewisten«. Weil man Litauen als Opfer des Bolschewismus betrachtet, fühle man sich folglich irgendwie auch als Opfer jener Juden, die mit litauischer Hilfe ins Ghetto gesperrt und ermordet wurden.

Trotz des steigenden gesellschaftlichen Drucks möchte die ehemalige Partisanin Brantsovsky jedenfalls nicht klein beigeben. »Ich habe immer gekämpft«, sagt sie. »Und ich werde weiter kämpfen.«