Imprint - Abdruck aus Dilek Güngör: »Ich bin Özlem«

Ich bin Özlem

Dilek Güngör erzählt, welche Kraft es kostet, sich in einer Gesellschaft zu behaupten, die besessen ist von der Frage nach Zugehörigkeit, Identität und »wahrer« Herkunft.

Der Geruch von geschmortem Fleisch hängt warm und schwer in der Luft. Meine Kleider, meine Haut, alles an mir riecht nach Fett und angebratenen Zwiebeln. Bevor die Gäste kommen, werde ich duschen.

Dass mir das noch immer nachgeht.

Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich meinen Ärmel an die Nase hebe, an meinem T-Shirt schnuppere, an meinen Haaren. Einfach so, mitten am Tag. Das T-Shirt riecht nicht unangenehm, auch unter den Achseln nicht, nur Deo und warme Haut. Aber was, wenn ich doch stinke und bloß nichts rieche?

Beim ersten Mal bin ich über mich selbst erschrocken. Ich war an jenem Morgen auf dem Weg zur Arbeit, meine Haare noch nass vom Duschen, und als ich unten im Haus an den Briefkästen vorbeikam, blieb ich stehen, zog den ­T-Shirt-Ausschnitt über meine Nase und atmete ein. Orangenduschgel, Persil, alles in Ordnung.

Es ist fast dreißig Jahre her, aber die Angst, dass ich stinken könnte, hat sich gehalten. Zum Glück riefen sie mich im Schulbus nie Kümmeltürke und auch nicht Knoblauchfresser, was auch nicht richtig gewesen wäre, denn zu Hause aßen wir keinen Kümmel und selten Knoblauch. Zwiebeln schon. Lauchzwiebeln roh zum Essen und auch die Knollen, von innen nach außen. Die zarten Schichten in der Mitte sind mild und saftig. Ich erzählte es nur niemandem in der Schule.

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