Homestory #12

Seit wann genau sich das gute Stück im Besitz der Redaktion befindet, lässt sich kaum mehr herausfinden. Befragt man die Redakteurinnen und Redakteure, die schon von Beginn an bei der Jungle World tätig sind, legen sie die Stirn in Falten, setzen den Veteraninnen- und Veteranenblick auf und antworten mit Sätzen, in denen Formulierungen wie »es könnte sein, dass«, »mir ist so, als wäre« und »ich glaube, es war vielleicht« vorkommen – Aussagen also, die unter journalistischen Gesichtspunkten unbrauchbar sind. Fest steht dennoch: Das gute Stück gehört der Redaktion schon ganz lange. Und es besteht aus zwei Stücken, nämlich zwei jeweils 1,40 Meter auf 2,50 Meter großen Leinwänden, auf die eine Künstlerin vor einer ebenfalls nicht mehr genau zu bestimmenden Zeit die Farbe Rot aufgetragen hat, auf einem Drittel jeder Leinwand in einem dunklen Ton, auf den anderen beiden Dritteln in einem helleren. Was weiterhin feststeht: Das gute Stück, das zurzeit aus zwei Stücken besteht, bestand einmal aus drei Stücken.

Glaubhaften Berichten zufolge existierte einmal eine dritte Leinwand von gleicher Größe, auf der eine Sonne zu sehen war. Doch irgendjemand verarbeitete das Mittelstück des Triptychons Zeugenaussagen zufolge irgendwann zu einer Tischunterlage. Banausen haben dem Kunstwerk also bereits erheblichen Schaden zugefügt. Und seit dem Redaktionsumzug vor acht oder neun ­Jahren stand es eingeklemmt hinter dem Sofa. Doch damit nicht genug: Seiner Umwidmung von Kunst zu Müll entging das Diptychon in der vergangenen Woche nur knapp. Einer offenbar vom schwungvollen Frühjahrsputz in den Redaktionsräumen berau­schten Mitarbeiterin fielen die verstaubenden Leinwände hinter dem Sofa ins Auge; ihr Vorschlag, das Bild doch mit dem übrigen ­Gerümpel auf die Ladefläche des angemieteten Transporters zu schaffen und im Wertstoffhof zu entsorgen, fand bei weiteren ­Bilderstürmern Zustimmung, so dass alsbald die ersten Redaktionsmitglieder Hand anlegten. Nur dem beherzten Einschreiten ­einiger weniger Mahner ist es zu verdanken, dass die beiden Leinwände doch nicht im Müll landeten, sondern Kunstasyl im Raum zweier Redakteure erhielten.

Es waren beängstigende Szenen. Damit sich solche niemals wieder ereignen müssen, bietet die Jungle World ab sofort einen besonderen Service an: Sollten Sie zu Hause Kunstgegenstände aufbewahren, derer Sie sich entledigen wollen, überstürzen Sie nichts! Schicken Sie eine E-Mail mit einer kurzen Beschreibung (ungefährer Marktwert etc.) an: inland@jungle.world. Vielleicht gibt es im Kunstasyl der Jungle World noch ein Plätzchen.