Im Tschad haben französische Streitkräfte einen aus Libyen kommenden Rebellenkonvoi beschossen

Bombardieren für den Diktator

Kampfflugzeuge der französischen Streitkräfte haben Kolonnen einer aus Libyen vorrückenden tschadischen Rebellengruppe bombardiert. Für einige Rebellengruppen aus den Nachbarländern, die sich in den vergangenen Jahren in Libyen niedergelassen hatten, wird es dort eng.

Die Feinde unseres Freundes sind auch unsere Feinde – nach diesem Motto gestaltete Frankreich einmal mehr seine Afrikapolitik. Bereits in den Jahren 1969, 1972, 1983/1984, 1986 und im Februar 2008 hatte es im Tschad militärisch interveniert. Vom 3. bis 6. Februar bombardierten nun Kampfflugzeuge der französischen Streitkräfte Kolonnen von Pickups der Rebellentruppe Union der Kräfte des Widerstands (UFR), die von der libyschen Grenze in Richtung Tschad vorrückte. Der französische Premierminister Édouard Philippe informierte darüber offiziell das Parlament. Die UFR, die über rund 500 bewaffnete Kämpfer im Wüstenkrieg verfügt, wurde geschlagen und 150 bis 200 ihrer Mitglieder wurden gefangengenommen. Das tschadische Regime möchte diesen nun wegen Terrorismus den Prozess machen.

In Frankreich erregte der Einsatz kurzzeitig Kritik, unter anderem von der französisch-afrikanischen Solidaritätsvereinigung AFASPA und der Linkspartei (PG), denn im Tschad herrscht ein extrem autoritäres Regime. Idriss Déby hatte im Dezember 1990 gegen den Diktator Hissène Habré geputscht und ist seither ohne Unterbrechung an der Macht. In Habrés Amtszeit von 1982 bis 1990 soll es etwa 40 000 politische Morde gegeben haben. 2017 wurde er in Dakar wegen Verbrechen gegen die Menschheit rechtskräftig verurteilt. Déby war allerdings von 1982 bis 1989 Habrés Generalstabschef und an den Verbrechen beteiligt. Auch unter Débys Prä­sidentschaft gehen die Folter und Ermordung politischer Widersacher weiter, wenn auch mit geringerer Intensität. Zuletzt wurde der Oppositionspolitiker Oumar Hissein im Dezember tagelang gefoltert und schließlich ermordet. Hin und wieder werden poli­tische Gegner und Dissidenten mittlerweile auch eingebunden, etwa durch finanzielle Angebote. Sogar auf Gewerkschaften geht das Regime manchmal zu. So wurden infolge einer Vereinbarung vom Oktober die Löhne im öffentlichen Dienst zum 1. Februar um 35 Prozent angehoben.

Der französische Präsident Emmanuel Macron reiste trotz der Repression im Tschad kurz vor Weihnachten dorthin, begleitet von vielen französischen Medien. Nach Gesprächen mit Déby besuchte er die im Tschad stationierten französischen Streitkräfte der Antiterrormission Barkhane.

Auch der UFR werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Ihr Anführer Timan ­Erdimi ist ein Neffe Débys, der gern dessen Platz einnehmen würde. Gegen Dissidenten in den eigenen Reihen geht auch Erdimi brutal vor.

Es gibt auch eine zivile, demokratische Opposition im Tschad, die einige Parlamentsabgeordnete stellt. Diese kritisierten ebenfalls das jüngste militärische Eingreifen Frankreichs. Max Kemkoye von der Union der Demokraten für Entwicklung und Fortschritt (UDP) bezeichnete es als unangemessen, Mahamat Ahmat Alhabo von der Partei für Freiheitsrechte und Entwicklung (PLD) als »Verletzung internationalen Rechts« und Einmischung in einen »inneren Konflikt«.

Erdimis UFR entstand während des Bürgerkriegs niedriger Intensität der Jahre 2005 bis 2010, in dessen Verlauf mehrfach Rebellengruppen die Hauptstadt N’Djamena angriffen, aus dem Zusammenschluss von acht Gruppen. Diese rekrutieren sich vor allem aus den Zaghawa, der Ethnie des Präsidenten, die offiziellen Zahlen zufolge 4,5 Prozent der Bevölkerung des multi­ethnischen Landes ausmachen. Sie ­haben meist einen erleichterten Zugang zu Grundstücken und Handelslizenzen, einige der Zaghawa würden allerdings gern einen größeren Anteil für sich reklamieren.

Bis 2013 wurde die UFR vom sudanesischen Diktator Omar al-Bashir protegiert. Dann ließ das sudanesische Regime die Rebellengruppe jedoch fallen und näherte sich der tschadischen Staatsführung an. Erdimi lebte seit 2010 im Exil in Katar. Die politischen und territorialen Zerwürfnisse in Libyen seit 2011, verstärkt seit 2014, ermöglichten es jedoch verschiedenen Rebellengruppen, von dort aus zu operieren. Im Süden Libyens sind nicht allein die Mitglieder der UFR aktiv, sondern auch andere tschadische Rebellen wie der ­zivil-militärische Rat des militärischen Oberbefehls für die Rettung der Re­publik (CCSMR), der erheblich bessere Verbindungen zur zivilen und demokratischen Opposition hat als die UFR.

Die innenpolitische Lage in Libyen hat sich allerdings geändert und die dort ansässigen Rebellengruppen sehen sich mittlerweile immer stärker bedroht. Am 3. Januar erließ der Generalstaatsanwalt der Hauptstadt Tripolis Haftbefehle gegen 31 Vertreter tschadischer sowie sudanesischer Rebellengruppen, die sich im Süden Libyens niedergelassen hatten, über den die Zentralregierung zeitweilig keine Kontrolle hatte. Zudem ergingen Haftbefehle gegen sechs libysche Milizenführer.

Der zuvor in Ostlibyen erstarkte General Khalifa al-Haftar rückt nun auch in Süd- und Südwestlibyen vor, wo Ende Januar und Anfang Februar heftige Kämpfe stattfanden. Auch dies gefährdet die Rebellengruppen aus den südlichen Nachbarländern. Al-Haftar wird im Süden Libyens wahrgenommen als jemand, der die arabische Dominanz über die dort lebenden schwarzen Bevölkerungsgruppen wie den Toubou wiederherstellen will. Viele tschadische Rebellen, etwa des CCSMR, gehören ebenfalls den Toubou an und konnten deswegen leicht Allianzen im Raum Sabha eingehen.

Mehrere Golfmonarchien, insbesondere das mit Saudi-Arabien seit 2017 offen zerstrittene Katar, finanzieren die tschadische Diktatur. Vom 25. bis zum 27. November besuchte Präsident Déby auch Israel. Als Grund der Reise wurde offiziell unter anderem die sicherheitspolitische Kooperation genannt. Die Machthaber im Tschad interessieren sich besonders für Überwachungstechnologie.

Angaben tschadischer Oppositioneller zufolge wurden Daten aus der Internetüberwachung an ein Zentrum in Israel übermittelt und dort ausgewertet. In Zusammenhang mit dem Besuch Débys in Israel sei auch Material an das tschadische Regime geliefert worden, das künftig eine breitere Überwachung der Internetkommunikation der Bevölkerung mitsamt Auswertung an Ort und Stelle ermögliche. Die Zeitschrift Jeune Afrique fügte dem Anfang Dezember hinzu, es sei auch um Technik zur Satellitenüberwachung im Bergmassiv Tibesti gegangen, wo Rebellengruppen aktiv sind.