In der spanischen Partei Podemos gibt es Streit

Der große Zoff bei Podemos

In Spanien kriselt es in der linken Bewegungspartei Podemos, ­ausgerechnet zu einer Zeit, in der diverse Wahlen anstehen.

Fünf Jahre nach ihrer Gründung steckt die spanische Bewegungspartei Podemos (Wir können) in einer ernsten Krise. Mitte Januar gab der Parteistratege Íñigo Errejón, der lange Zeit als »Nummer zwei« von Podemos gehandelt wurde, seine Kandidatur für die Wahlplattform Más Madrid (Mehr Madrid) bekannt, die bei den Regional- und Gemeindewahlen in der spanischen Hauptstadt und der Autonomen Gemeinschaft Madrid antritt. Diese sollen wie die Europawahlen am 26. Mai stattfinden. Errejón stellt Podemos damit vor große Probleme, denn Más Madrid mit der Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena an der Spitze droht, zu einer ernsthaften Konkurrenz zu werden – zu einer Zeit, in der landesweite Neuwahlen immer wahrscheinlicher werden.

Die unter anderem von Podemos gestützte Minderheitsregierung unter ­Pedro Sánchez vom sozialdemokratischen PSOE läuft Gefahr, ihren im ­Januar verabschiedeten Haushaltsentwurf nicht durch das Parlament zu bringen, falls die katalanisch-separatistischen Parteien ihm nicht zustimmen. Sollte er scheitern, wären wohl Neuwahlen die Folge, worauf selbst viele Regierungsmitglieder hinweisen.

Die Wahlplattform Más Madrid mit Bürgermeisterin Manuela Carmena an der Spitze droht, zu einer ernsthaften Konkurrenz für Podemos zu werden.

Aus Neuwahlen könnte die Rechte gestärkt hervorgehen. Der von der rechtsnationalen Volkspartei (PP), den rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Partei Vox ausgehende Druck auf die Regierung steigt. Am Sonntag demonstrierten 45 000 spanische Nationalisten in Madrid gegen den Dialog, den Ministerpräsident Sánchez mit den katalanischen Separatisten führt, und gegen die Einsetzung eines unabhängigen Vermittlers. Auf­gerufen zur Demonstration hatten PP und Ciudadanos, doch auch Anhänger von Vox und spanische Faschisten beteiligten sich am Protest des sogenannten Blocks des 155, wie die Befürworter der juristischen Verfolgung der katalanisch-separatistischen Politikerinnen und Politiker nach dem Paragraphen 155 genannt werden.

Die Rechte will auch den Prozessauftakt gegen zwölf führende Politikerinnen und Politiker der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung diese Woche als Plattform nutzen; die Verhandlung in Madrid soll live im Fernsehen übertragen werden. Kritikerinnen und Kri­tiker befürchten eine Art Schauprozess und eine Machtdemonstration des ­spanischen Staats.

Ada Colau, die linke, Podemos nahestehende Bürgermeisterin von Barce­lona, hat sich in einem offenen Brief an europäische Politiker wie den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk und den EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani gewandt und den Prozess als »Scheitern des politischen Dialogs« bezeichnet. In einem Schreiben an Quim Torra, den Präsidenten der katalanischen Regionalregierung, forderte sie diesen dazu auf, den Haushaltsentwurf nicht zu blockieren und mit dem PSOE zu stimmen.

Madrids Bürgermeisterin Carmena war bei den vorigen Wahlen in Madrid für die Plattform Ahora Madrid (Jetzt Madrid) angetreten, nominiert von Podemos. Pablo Iglesias, der Generalsekretär von Podemos, hatte sie zu ihrer Kandidatur überredet. Mit den Stimmen des PSOE löste Ahora Madrid 2015 die 24 Jahre währende Regierung des PP ab, der Korruption vorgeworfen wurde. Carmenas erneute Kandidatur, nun für Más Madrid, scheint vielversprechend, da ihre Amtszeit in zen­tralen Punkten erfolgreich war. Unter anderem konnte die Verschuldung ­Madrids um über die Hälfte auf 2,7 Milliarden Euro gesenkt werden – bei ­steigenden Sozialausgaben.

Der 33jährige Errejón möchte das erfolgreiche »Modell Carmena« für die Stadt Madrid nun für die Region Madrid wiederholen – mit ihm selbst an der Spitze. Er sieht sich als Ideengeber der Partei und schreckte zuletzt in Interviews nicht davor zurück, für einen linken Nationalismus zu werben, der dem rechten entgegengesetzt werden müsse. Seine Kandidatur für Más ­Madrid ist das Resultat eines langjährigen Richtungsstreits innerhalb von ­Podemos. Errejón repräsentierte den Flügel der Partei, der für mehr politische Nähe zum PSOE plädierte. Auf dem Parteitag 2016 hatte Iglesias den Richtungsstreit personell für sich entschieden. Doch nach dem von Podemos unterstützten Misstrauensantrag gegen den damaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy 2018, dessen Partei PP in einen Korruptionsskandal verwickelt ist, ergab sich mit der Regierungsübernahme des PSOE im Grunde die Konstellation, die die »Errejonistas«, die Anhänger Errejóns, angestrebt hatten.

Zu Más Madrid sind sowohl Podemos als auch die Vereinigte Linke (IU), die Carmena bei der Wahl 2015 zum Sieg verhalfen, indes auf Abstand gegangen und tun sich selbst mit einer taktischen Annäherung schwer. Nun muss die Madrider Sektion von Podemos einen eigenen Spitzenkandidaten für die Gemeindewahlen finden – und zudem den Rücktritt von Ramón Espinar verkraften, der am 25. Januar erfolgte. Der regionale Generalsekretär hatte die distanzierte Haltung von Podemos zu Más Madrid kritisiert.

Podemos und IU kritisieren Carmena insbesondere dafür, bei städtebaulichen Großprojekten wie dem Bauvorhaben »Madrid Nuevo Norte« – wegen des betroffenen Viertels auch »Operación Chamartín« genannt – nicht genug Vorkehrungen gegen Immobilienspekulation getroffen und nicht genug direkte Bürgerbeteiligung zugelassen zu haben. Carmena entgegnete diesem Vorwurf: »Diejenigen, die eine Welt ohne Unternehmen wollen, können nicht Madrid regieren.«

Die Gründung von Más Madrid im Dezember sowie Errejóns Überlaufen können als Anzeichen für das Bestreben verstanden werden, sich dem Einfluss von Iglesias zu entziehen. Nach dem Abgang Errejóns bleibt der »antikapitalistische« Flügel als einzige parteiinterne Opposition. Dessen Anhängerinnen und Anhänger werfen dem Flügel von Iglesias übertriebene Maßnahmen zur Steuerung, etwa bei den Vorwahlen, und Machtbündelung vor, betrieben vom Sekretär für Organisation, Pablo Echenique. Die Konflikte bei Podemos er­innern an die Situation, in der sich die bereits seit 1986 bestehende, noch ­stärker von der kommunistischen Partei geprägte IU in der Hochzeit der neuen Bewegungspartei Podemos befand und an Erneuerung interessierte IU-Mitglieder zur neuen Partei abwanderten; 2015 etwa die damalige Lebensgefährtin von Iglesias, Tania Sánchez.

Trotz der internen Querelen versucht Podemos nicht zuletzt mit Blick auf Neuwahlen, ein Gesetzesvorhaben zu verwirklichen, das Spanierinnen und Spanier im Ausland die Teilnahme an Wahlen erleichtern soll. Diese Wählergruppe ist größtenteils jung und hat in vergangenen Wahlen mehrheitlich den neuen Parteien Podemos und ­Ciudadanos ihre Stimmen gegeben. Zudem versucht Podemos in der Diskus­sion über die Prävention von Gewalt gegen Frauen Akzente zu setzen, auch als Antwort auf reaktionäre Positionen der aufstrebenden Vox. Für den 8. März ist erneut ein spanienweiter Frauen­streik geplant.

Jüngsten Umfragen des Instituts CIS zufolge geht die Zustimmung für Podemos allerdings zurück. Andere Umfragen weisen steigende Werte für Más Madrid aus, weitere einen absoluten Zuwachs für beide Organisationen bei den Gemeinde- und Regionalwahlen. In Anbetracht des Erstarkens rechter Kräfte in Spanien wäre eine neuerliche Spaltung der Linken ungeschickt.