Die neue andalusische Regierung wird von der rechtsextremen Partei Vox gestützt

Die rechtsextreme Stütze

Die spanische Linke zerlegt sich weiter, anstatt der rechtsextremen Partei Vox, die in Andalusien die neue Regierung stützt, geschlossen entgegenzutreten. Im konservativen Partido Popular hat die Mehrheit kein Problem damit, sich von Vox unterstützen zu lassen.
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An den 16. Januar 2019 wird sich Spanien lange erinnern. Es war der Tag, an dem das Regionalparlament Andalusiens einen rechtskonservativen Politiker der Volkspartei (Partido Popular, PP), Juan Manuel Moreno Bonilla, zum ­Regionalpräsidenten der bevölkerungsreichsten Region Spaniens wählte. Für ihn stimmten 59 der 109 Abgeordneten, davon 26 seiner Partei PP, 21 der rechts­liberalen Ciudadanos (C’s) und zwölf der rechtsextremen Partei Vox.

Das markiert eine dreifache Zäsur: Erstmals seit den ersten Regionalwahlen nach der Franco-Diktatur 1982 wird Andalusien nicht mehr von der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) regiert. Erstmals zieht mit Vox eine rechtsextreme Partei in ein postfranquistisches Parlament ein. Und erstmals stützt eine solche Fraktion eine Regionalregierung. Vox hatte für die Unterstützung der Koalition aus PP und C’s einen Forderungskatalog mit 37 Punkten vorgelegt. Neben Maßnahmen gegen die Migration gehören dazu insbesondere die Aufhebung des andalusischen Gesetzes gegen »Macho-Gewalt« an Frauen und die Schaffung eines Familienministeriums. Das Gesetz zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs (1936–1939) sowie der Franco-Diktatur, bei dem es unter anderem um die Suche nach Massengräbern (Jungle World 8/2018) geht, soll ­einem »Konkordanzgesetz« weichen. Als ersten Beschluss kippte Moreno Bonilla mit sofortiger Wirkung die Erbschaftssteuer für Nachlässe und Spenden. Vox will zudem die Fristenlösung bei Abtreibungen und die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare abgeschafft wissen, Betonmauern gegen Migranten um die beiden Enklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, errichten und alle, die nicht auf legalem Wege ins Land gelangt sind, sofort abschieben. Einige Forderungen von Vox, etwa die sofortige Abschiebung von 52 000 illegalen Einwanderern, schafften es allerdings nicht ins Regierungsprogramm.

Der Partido Popular, der unter seinem Vorsitzenden Pablo Casado deutlich nach rechts rückt, hat mit dem Gros der Forderungen von Vox keine Probleme.

Als erste Reaktion auf die rechte Regierungsbildung gab es in den andalusischen Provinzhauptstädten und spanienweit am 15. Januar feministische Proteste, an denen sich Zehntausende beteiligten; unterstützt wurden sie von LGBT-Gruppen, Gewerkschaften wie CGT und CNT und sonstigen linken Gruppen. Tausende demonstrierten auch im südspanischen Granada. Dessen städtischer Feiertag am 2. Januar, an dem der Kapitulation des letzten maurischen Königreichs 1492 gedacht wird, soll nach dem Wunsch von Vox Regionalfeiertag werden. »Gegen den Faschismus – Feminismus!« skandierten die Protestierenden lauthals. Auf Transparenten war das Demonstrationsmotto zu lesen: »Keinen Schritt zurück in Sachen Gleichberechtigung«. Der Vox-Spitzenkandidat und Regionalparlamentarier Francisco Serrano, ein ehemaliger Richter, der mit misogynen Urteilen gegen weibliche Opfer von Geschlechtergewalt aufgefallen ist, nannte die Demonstrantinnen vor dem Regionalparlament in Sevilla »feministische kale borroka«. Damit bezieht er sich auf die baskische Bezeichnung für den Straßenkampf.

Der PP, der unter seinem Vorsitzenden Pablo Casado deutlich nach rechts rückt, hat keine Probleme mit dem Gros der Forderungen von Vox – abgesehen von denen nach dem EU-Austritt Spaniens und der Auflösung aller Autonomieregionen, nicht nur Kataloniens. Interne Kritik im PP bleibt verhalten, aber es gibt sie, etwa von Alberto Nuñez Feijóo, dem Regionalpräsidenten von Galicien, und Fernando López Miras, dem Regionalpräsidenten von Murcia. Beide sehen mit den antifeministischen Maßnahmen und Reden »rote Linien« überschritten. Borja Sémper, der PP-Vorsitzende der baskischen Provinz Guipúzcoa, ging noch weiter.

»Es liegen Ozeane zwischen Vox und meiner Partei«, sagte er im Interview mit Radio Euskadi. Die Rechtsextremen würden zudem »jeden nationalen Konsens brechen, des Zusammenlebens und der Verfassung sowie der Eintracht der Spanier«. Die Streichung von Geldern zur Bekämpfung von »Macho-Gewalt« sei »nicht akzeptabel«. Hinter vorgehaltener Hand wird im PP die Befürchtung geäußert, dass man mit einer Annäherung an die Positionen von Vox nicht Wähler zurückholen, sondern weitere verlieren werde.
Beim PP-Kongress am Wochenende ignorierte die Parteispitze um Casado allerdings kritische Funktionäre aus den Regionen, die zu moderaten Positionen raten. Der ehemalige Ministerpräsident José María Aznar, der nach dem Abgang Mariano Rajoys wieder selbstbewusst in der Partei auftritt, sagte, die Stimmen, die an die anderen rechten Parteien, also Vox und Ciudadanos, gegangen seien, »sind Stimmen des PP, die es zurückzugewinnen gilt«. Die Wähler wolle man nicht allein lassen, und »noch weniger in den Händen eines radikalisierten PSOE, der in Sachen Populismus mit Podemos konkurriert«.

Vier Monate vor den wichtigen Regional- und Gemeindewahlen unter anderem in Madrid und Barcelona sowie den Europawahlen im Mai hat die Vox hat von ihren Gesinnungsgenossen in Europa und dem US-Präsidenten Donald Trump gelernt, mediale Aufmerksamkeit zu erregen: mit polemischen Ideen, falschen Behauptungen über Migranten und falschen Zahlen über Kinder, die von ihren Müttern ermordet wurden.

»Wir müssen uns selbst organisieren und die antifaschistische Bewegung forcieren, um die Rechtsextremen abzuwehren. Wir dürfen keinen Milli­meter zurückweichen«, betont Maria Sirvent, eine Abgeordnete der anti­kapitalistischen Kandidatur der Volkseinheit (CUP) im katalanischen Parlament im Gespräch mit der Jungle World. Für die Kommunalwahlen im Mai gelte es, »Basisarbeit zu leisten, für marginalisierte Kollektive Solidarität zu leben, Netzwerke zu fördern und aktiv antifaschistisch im öffentlichen Raum gegen Rechtsextremismus vorzugehen«. Im Kampf gegen den Faschismus sei der Feminismus besonders wichtig, betont Sirvent: »Eine geballte Kraft, die die Fundamente des Systems erschüttern kann.« Dessen seien sich Vox, aber auch der PP bewusst. »Darum wird der Feminismus mit patriarchalen Vorstellungen attackiert, um die grund­legenden Rechte, die sich Frauen erkämpft haben, wieder wegzunehmen.«

Der in Spanien regierende PSOE unter Ministerpräsident Pedro Sánchez versucht, das sich abzeichnende De­bakel in Andalusien mit einem sozialeren Budget abzuwenden: deutlich mehr Sozialausgaben unter anderem für Renten, Pflege und Wohngeld. Das linke Wahlbündnis Unidos Podemos (UP) ist drauf und dran, sich selbst zu demontieren. Nachdem ihr Mitbegründer Iñigo Errejón am Donnerstag vergangener Woche bekannt gegeben hatte, bei der Gemeinderatswahl in Madrid auf der Liste »Más Madrid« der amtierenden Bürgermeisterin Manuela Carmena zu kandidieren, warf ihn der Parteivorsitzende Pablo Iglesias kurz­erhand aus der Parteiführung, die damit vor der Spaltung steht. Am Montag legte Errejón sein Abgeordnetenmandat nieder, will aber nicht aus der Partei austreten. Vor wenigen Jahren konnte sich UP noch Hoffnungen machen, stärkste Kraft zu werden. Nun droht die Partei, wie Umfragen zum Jahreswechsel von Sigma Dos und El Mundo prognostizieren, mit 45 bis 47 Sitzen ungefähr gleichauf mit Vox (43 bis 45 Sitze) zu liegen; weit entfernt von früheren Ergebnissen.