In Brüssel hat der Prozess wegen eines jihadistischen Anschlags begonnen

Die Mossad-Legende

Im Prozess wegen des Anschlags auf das Jüdische Museum in Brüssel verfolgen die Anwälte des Angeklagten, Mehdi Nemmouche, eine seltsame Verteidigungsstategie.
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Am 7. Januar hat in Brüssel der Prozess gegen Mehdi Nemmouche begonnen. Der Franzose soll am 24. Mai 2014 einen Anschlag auf das dortige Jüdische Museum verübt und dabei vier Menschen getötet haben. Seine Anwälte verfolgen eine Verteidigungsstrategie, die dem antisemitischen Wahnsystem des mutmaßlichen Attentäters alle Ehre macht.

Zu den Opfern des Anschlags gehört neben dem Museums­angestellten Alexandre Strens und der ehrenamtlich tätigen Dominique Sabrier auch ein israelisches Ehepaar. Die beiden, Emmanuel und Miriam Riva, sollen Nemmouches Anwälten zufolge Agenten des Mossad gewesen sein. Aus diesem Grund seien sie ermordet worden. Ihr Mandant sei freizusprechen, der wahre Täter ein Profikiller.

Über einen möglichen Geheimdiensthintergrund hatte kurz nach dem Anschlag zunächst Amir Oren von der israelischen Zeitung Haaretz spekuliert. Doch nur Miriam Riva hatte einige Jahre für den Mossad gearbeitet, allerdings nicht als Agentin, sondern im Abrechnungswesen, wie Oren bereits damals betonte.

Am 30. Mai 2014 wurde Nemmouche in Marseille festgenommen, die Tatwaffen im Gepäck. Auch die Aufnahmen der Überwachungskameras deuten auf ihn als Täter hin. Vor dem Anschlag war er beim »Islamischen Staat« in Syrien gewesen, und er hatte auf der Reise von Syrien nach Belgien Urlaub in Singapur und ­Malaysia gemacht, möglicherweise um seine Spur zu verwischen.

Seine Anwälte schlachten die Mossad-Legende nun nach Kräften aus. Ihre Verteidigungsstrategie läuft auf ein großes verschwörungstheoretisches Spektakel hinaus, und dabei machen sie vor perfider Rhetorik nicht halt. »Wenn Sie ein Attentat begehen ­wollen, dann gehen Sie dazu doch nicht in ein leeres Museum«, sagte der Verteidiger Sébastien Courtoy mit Blick auf angeblich ­geringe Besucherzahlen. »Unweit davon gibt es eine Synagoge.«

Wilde Geschichten über Mossad-Agenten, fehlende DNA-Spuren und fingierte Videoaufnahmen – nicht nur der Anschlag, sondern auch die Gerichtsverhandlung wird Judenhasser aller Couleur beglücken, die kaum etwas mehr lieben als den antisemitischen ­Radau. Nemmouches Verteidiger dürften weiterhin dafür sorgen, dass die Fangemeinde auf ihre Kosten kommt.

Die beiden Anwälte Sébastien Courtoy und Henri Laquay haben bereits einige vertreten, die in diesem Milieu Rang und Namen ­haben, darunter den mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen verurteilten französischen Komiker Dieudonné M’bala M’bala. Mit ihm ließen sie sich 2012 beim Zeigen des »Quenelle-Grußes« ablichten, der in der Presse manchmal als »umgekehrter Hitlergruß« bezeichnet wird. Ein Kollege des nie um einen antisemitischen Skandal verlegenen Courtoy bezeichnete diesen bereits vor vier Jahren als »antijüdischen Don Quichotte«. Laquay wiederum unterstützt Marine Le Pens Rassemblement National, den früheren Front National. Geschadet habe den Anwälten all dies nicht, resümiert die französische Zeitung Journal du Dimanche, im Gegenteil.

Und so werden sie bis zum 1. März wohl noch so manchen Auftritt zelebrieren. Solange soll der Prozess gegen Nemmouche vor dem Schwurgericht noch dauern. Der Hauptdarsteller des von ­seinen Anwälten inszenierten Theaters schweigt jedoch bislang. Als narzisstisches »großes Ego«, das dem Prozess »mit Wonne« ent­gegenblicke, charakterisierte ihn bereits im September 2014 die ehemalige IS-Geisel Nicolas Hénin, der in ihm einen seiner Folterknechte erkannt haben will.

Das Verhalten des Attentäters in den Überwachungsvideos war es übrigens auch, das Haaretz-Journalist Oren über ein »spy game« spekulieren ließ. Er konnte sich dieses nur als Professionalität erklären. Und wollte vielleicht verdrängen, dass der Antisemit einer ist, der seine Tat seelenruhig genießt.