Die Event-Serie »Das Boot« wirkt wie ein Werbeclip der Bundeswehr

Neue Kriegsbilder

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Essay Von

Wolfgang Petersen verfilmte den autobiographisch geprägten Roman »Das Boot« von Lothar Günther Buchheim zu einer Zeit, in der das deutsche Genrekino tot und der Neue Deutsche Film keinen anderen Gegner als sich selbst mehr hatte. Es war die Übertragung eines populärmythischen Markenartikels.

Der Film beginnt wie ein Heeresbericht, er informiert über »ernste Rückschläge« für die deutsche U-Boot-flotte. Und: »Nun kontrollieren die Allierten den Atlantik.« Die Helden, das ist von vornherein klar, stehen auf verlorenem Posten. Und damit beginnt auch schon der charakteristische Sound mit dem Echolot-Bing in einem Grün, aus dem sich langsam (und zu sich steigernder Musik) das U-Boot geisterhaft wie ein riesiges Tier oder ein Raumschiff herausbildet. Und der heroisierende Klang der Leitmelodie von Klaus Doldinger: »Das Boot« wurde nicht nur zu einem großen Erfolg des deutschen Kinos, sondern setzte auch Maßstäbe für den ­U-Boot-Film als ikonographisches Subgenre. Ein sexuelles Bild. Ein Todesbild.

Petersen zeigte, dass deutsche Filme technisch und narrativ auf der Höhe der Zeit waren und die Reduzierungen der »ärmeren« Filme zuvor hinter sich lassen konnte. Ein Teil von Kritik und Publikum genoss dieses Selbstbewusstsein, der  kleinere Teil sah in dieser distanzlosen Erzählweise das Problem.

Und mit dem Film, der dann noch eine Fernsehserie und eine neue Schnittfassung für den wiederholten Kino-Einsatz hergab, endete die Geschichte des deutschen Kriegsfilms in der Nachkriegszeit, und es begann eine andere Geschichte des Genres. So wie die grelle Farbe des Euro-Trash-Kriegsfilms der sechziger und siebziger Jahre, vor allem in Zusammenarbeit mit der italienischen Kinomaschine dieser Zeit entstanden, das Schwarzweiß der revisionistischen Kriegsfilme und ihrer eher kritischen Seitenstücke abgelöst hatte, lösten nun die gedeckteren Farben der Großproduktion die Stahlattrappen und das Kunstblut ab. Der Kriegsfilm musste zeigen, wie erwachsen und mitfühlend er nun war.
Eine der Eigenschaften dieser Neuerfindung, die sich dann in den furchtbaren Melodramen der Fernsehmehrteiler mit »historischem Hintergrund« und den noch furchtbareren Filmen wie »Der Untergang« fortsetzte, war eine weitergehende Subjektivierung. Ganz entsprechend war nicht allein der Nachbau des Buchheim’schen Unterseebootes bei der Bavaria der große production ­value, sondern vor allem die Beweglichkeit der Kamera in dessen engen Schläuchen. Man sollte miterleben, was das Leben in einem U-Boot bedeutete, es war ein totales Kinoerleben, durch Jost Vacanos Kamera ermöglicht, einerseits, und andererseits durch einen weiteren Schritt der Entideologisierung: Das Thema dieses Films waren nicht Ideen, sondern Körper. Subjektivierung scheint als das große Ziel des Films in jedes Detail hinein, in jede Szene, die auch zeigen konnte, was nicht unbedingt »Handlung« oder »Charakterisierung« war, sondern nichts als Routine oder Überschwang, trostloser Ennui oder sinnliche Explosion.

Wolfgang Petersen zeigte in »Das Boot«, dass deutsche Filme technisch und narrativ auf der Höhe der Zeit waren und die Reduzierungen und Stilisierungen der »ärmeren« Filme zuvor hinter sich lassen konnten. Ein Teil von Kritik und Publikum genoss dieses Selbstbewusstsein, der andere, kleinere Teil sah gerade in dieser distanzlosen und spektaku­lären Erzählweise das Problem. Aber der Film hatte das Glück (oder das Pech, wie man es nimmt), in einer Zeit herauszukommen, da sich eine politisch wache Filmkritik weitgehend erschöpft hatte. In diesem Jahr 1981 neigte sich die Kanzlerschaft von Helmut Schmidt dem Ende zu und der lange Schatten der Ära Kohl lag schon über dem Land. Gewollt oder nicht wurde der Film nicht nur zum Gründungsmythos einer neuen Geltung des deutschen Films, sondern auch ein Gründungsmythos für das Deutschland dieses Jahrzehnts, das sich auf die »eigene Kraft« so viel einbildete wie auf die Passion des Einzelnen.

Der alte deutsche Kriegsfilm hatte gleichsam eine existentielle Grundlage dafür geschaffen, dass die Soldaten die Höllenkreise des Krieges durchlaufen mussten, wobei die einen immer mehr Schuld auf sich luden, die anderen aber bei allem Zwang Charakter und Menschlichkeit bewahrten. Das oft kritisierte »Holzschnitthafte« dieses Genres war durchaus Teil seiner Ikonographie, in der »die Nazis« immer seltsame Fremde und böse Karrieristen blieben. Die veränderte Typologie spiegelte sich auch in der neuen Riege der Darsteller (und umgekehrt). Elemente des »dekadenten« Films spiegeln sich in der Eingangssequenz von der großen Alkoholorgie in La Rochelle, mit einem denkwürdigen Subtext: Zuerst spritzt der eine mit dem Syphon der französischen Sängerin zwischen die Beine, dann schießt der andere seine Pistole auf Frauenbilder an der Wand in Brüste und Geschlecht. Es wird gepisst und gekotzt. Höllisches setzt sich fort in der Werftanlage. Das U-Boot, ganz anders als das schlanke, elegante Schwert, das in der neuen Serie den Ozean quert, ist ein zäher, dem Un­tergang geweihter Phallus. »Das Boot« ist nicht nur ein Film fast ohne Frauen, es ist ein Film der inneren und äußeren Ferne von ihnen.

Dann wird die Welt im Inneren des Bootes gezeigt, wozu die Figur des Berichterstatters dient, der durch die einzelnen Räume geführt wird, so dass auch der Zuschauer eine Topographie des Ortes erhält. Von einer lost company, deren Anführer, der sogenannte Kaleu (kurz für Kapitänleutnant) offen und zum Missfallen des obligatorischen Supernazis an Bord die militärische und politische Führung kritisiert: »Maulhelden«. Und man singt »It’s a Long Way to Tipperary«.
Die Filmkritikerin Ponkie (eigentlich Ilse Kümpfel-Schliekmann) hat damals (nachdem Technik und Darstellung hinreichend gewürdigt waren), die Dramaturgie des Films so beschrieben: »Knall – Brüllpanik – noch mal davon gekommen – Knall – Brüllpanik – noch mal davon gekommen – Knall – Brüllpanik – nicht mehr davon gekommen.« Was dazwischen liegt, ist in der Tat kaum der Rede wert, ein Pflichtprogramm mit Heimatrückbindung und fiesdoofen Nazis, so dass »Das Boot« weniger ein Kriegsfilm als ein im Krieg spielender Katastrophenfilm ist. Aber natürlich war die Kinoerfahrung des Films nicht auf Technik und Dramaturgie allein abgestellt, vielmehr ging es tatsächlich um die bizarre Raumerfahrung: Angespannte Männer auf engstem Raum. Richtig gemein wird der Film ja nur in einer Szene, nämlich als der Kaleu befiehlt, den Ort einer fachgerechten Versenkung zu verlassen, weil man die Überlebenden des Schiffes nicht aufnehmen kann. Wie wenig diese Schuld aber doch der Figur und dem Film im Fortgang anzumerken ist!