Was kümmert mich der Dax - Die Klimakonferenz in Katowice: »Naming and shaming«

Sich schämen und emittieren

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Frühere Katastrophen trafen die Menschheit überraschend, waren unerklärlich und mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln nicht abzuwenden. Als Mitte des 14. Jahrhunderts etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas an der Pest starb, machte man unter anderem die Sündhaftigkeit der Menschen, eine ungünstige astrologische Konstellation und die Juden dafür verantwortlich. Diese Deutungsmuster spielen zwar heutzutage auch bei der Interpretation der globalen Erwärmung noch eine Rolle, doch immerhin weiß ein beachtlicher Teil der Menschheit es nun besser. Die Ursachen des Klimawandels sind hinreichend erforscht, bekannt ist auch, was getan werden müsste. Das ist ein Fortschritt, der allerdings nicht so weit geht, dass etwas getan wird. Die jährlichen Klimakonferenzen inklusive der kontroversen Bewertung der Ergebnisse sind ein vorhersehbares Ritual geworden.

Im polnischen Katowice wurden vor allem Ausführungsbestimmungen zum Pariser Klimaabkommen beschlossen, die an ein Element des mittelalterlichen Strafsystems erinnern, allerdings wohl nicht dessen Wirkung entfalten werden. »Naming and shaming« soll dafür sorgen, dass die Nationalstaaten sich an ihre Zusagen zur Reduzierung der CO2-Emissionen halten – ein UN-Pranger sozusagen, der die Bösewichter herausstellt. Es gibt allerdings nicht die Möglichkeit, die Verantwortlichen mit faulem Obst zu bewerfen, aber das gehört ja auch in die Öko-Tonne. Das shaming setzt deshalb voraus, dass die Betreffenden Schamgefühl haben, was bei Donald Trump oder Jair Bolsonaro und ihren Wählern gewiss nicht der Fall ist. Aber auch den Deutschen ist es nicht peinlich, ihre Klimaziele zu verfehlen und keine ernsthaften Anstrengungen zu unternehmen, daran etwas zu ändern. So stehen Regierungen, die immer offener bekennen, dass sie vom Klimaschutz nichts halten, solchen gegenüber, die das Gegenteil behaupten, aber die Konsequenzen scheuen.

Da der »grüne Kapitalismus« sich als nicht ausreichend profitabel erwiesen hat, um eine energiepolitische Wende zu bewirken, wären innovativ lenkende und einige Produktionsbereiche beschränkende Maßnahmen erforderlich, so etwas wie eine globale Planwirtschaft also. Als ideeller Gesamtkapitalist in der globalen Konkurrenz kann kein Staat es sich leisten, in Vorleistung zu gehen und sich damit Wettbewerbsnachteile einzuhandeln. Da wird man lieber ein bisschen shaming in Kauf nehmen, die anderen Staaten werden schließlich nicht besser dastehen. Der sozialistische Kosmopolitismus, die Überwindung von Kapitalismus und Nationalstaat, wird damit zur Notwendigkeit für die Weiterentwicklung der Zivilisation – wenn auch nicht für das Überleben des Planeten, dem ein paar Grad mehr ebenso gleichgültig sind wie Bakterien, die Zweibeiner dahinraffen. Historiker sind übrigens fast ebenso kaltherzig, sie betrachten die Pestzeit vornehmlich als kulturhistorisch interessante, bizarre und morbide Epoche. In kommenden Jahrhunderten wird man wohl ebenso über unsere Zeit urteilen, wenn man nachvollzieht, die das Desaster Tonne für Tonne CO2, Klimakonferenz für Klimakonferenz seinen Lauf nahm.